Dienstag, 6. September 2011

Der 3. September hat Mut gemacht, nicht nur in Dortmund...

Auf meine „Aufforderung zum Ungehorsam“ kurz vor den Anti-Nazi-Blockaden in Dortmund am 3. September entgegnete ein Leser, ich sei naiv, noch an die Demokratie zu glauben. Der Vorwurf, scheint mir, ist von Resignation gezeichnet. Ich lese ihn so wie: „Du Naivling glaubst noch an das Gute im Menschen.“ – Ja, an was denn sonst, wofür lohnt es sich denn sonst zu leben?
Wenngleich es gegen die Brutalität der Polizei nicht gelungen ist, den Naziaufmarsch zu blockieren – dass es sich lohnt und gar nicht so aussichtslos ist, die Demokratie von „unten“ zu verteidigen, und sei es auch gegen eine Obrigkeit, die sie mit Polizeistiefeln tritt, zeigt beispielhaft der folgende Auszug aus dem Bericht von Uli Sander, Landessprecher der VVN-BdA, vom 3.9. in Dortmund:

„Starker erfolgreicher Protest gegen Nazis in Dortmund
Weit über 15.000 Menschen haben am 3. September in Dortmund rund 700 Nazis bei ihrem „Nazionalen Antikriegstag“ erheblich gestört. Tausende Blockierer stellten sich ihnen in den Weg. 4000 Polizisten sollten den Nazis zu ihrem Versammlungsrecht verhelfen, wobei die Grundrechte der Dortmunder Bevölkerung beträchtlich eingeschränkt wurden. Für viele Medien gab’s fast nur Randale, doch es ging um politische antifaschistische Kultur, und die wurde gewahrt.
Die Polizei hatte zwar parkende Autos von der Nazistrecke weggeräumt, aber Sperrmüll als Wurfgeschosse stehengelassen - genutzt von wem auch immer. Tränengas, Wasserwerfer, Bergepanzer der Polizei im Einsatz, so etwas gab es lange nicht. Es schien, als sollten die massive Beeinträchtigung der Rechte der Demokraten und die massive Unterstützungsaktion für die Faschisten irgendwie gerechtfertigt werden. Die Medien der WAZ-Gruppe, im Begriff von Konservativen übernommen zu werden, schwenkten dann auch um: Herbeigekarrte Krawalltouristen verletzten verantwortungsbewusste Polizisten.
Die Aktion der VVN-BdA zum Schutz der Gedenkstätte Steinwache war ein voller Erfolg. Die Mahnwache wurde Dank der Gedenkstättenleitung möglich. Sie sicherte vielen den Zugang vom und zum Hauptbahnhof. Man diskutierte, rezitierte, musizierte, gab Kaffee aus der Gedenkstätte heraus aus und hatte Infos bereit und auch Stühle für müde Kämpfer. Mittags gelangte die Mahnwache zwischen die Fronten; neben der Steinwache die Unseren, hundert Meter entfernt an der Arge und der Hauptpost die Nazis. Die Polizei stand dazwischen mit allem Gerät, das sie hatte. Der Abgang der Nazis wurde sehr verzögert. Danach wurde die Strecke der Nazis oft unterbrochen, sie mussten Umwege gehen. Mehrere Blockaden standen, andere wurden brutal aufgelöst.
So kam die Polizei zu ihrer Kriegsberichterstattung. Einmal stand der Polizeipräsident Hans Schulze (SPD) in der Polizeikette, vor sich die Demonstranten. Unter ihnen der Oberbürgermeister Ullrich Sierau (auch SPD), Auge in Auge mit dem PP Schulze: „Dass wir uns so wiedersehen,“ sagte Sierau.  
Dass sich Bundes- und Landespolitiker am Blockieren beteiligten, gehört zum Erfolg des Tages. Was die VVN-BdA immer wieder gefordert hatte, dass die Politik bei Versagen der Polizei und Justiz die Sache des Schutzes der Bürger vor den braunen Horden selbst in die Hände nehmen soll, beginnt zu funktionieren. DGB und Kirchen waren ganz stark präsent. Verdi hatte eine Woche lang bis zum 3. 9. auf dem Platz, den die Nazis beanspruchten, ein Friedensfest gestaltet. Bei der Steinwachen-Mahnwache waren zeitweilig Gesine  Lötzsch, andere linke MdBs und Nina Hager von der DKP anwesend.
Zum Schluss noch etwas sehr bezeichnendes: Der Innenminister hatte gesagt, die Polizei schütze das Versammlungsrecht und nicht die Nazipropaganda. Das bewahrheitete sich nicht. Das Versammlungsrecht der Demokraten abends bei einer Abschlussfeier im hoch nazifrequentierten Stadtteil Dorstfeld konnte von 50 Nazis massiv gestört werden. Niemand von den Nazis wurde in dieser Situation eingekesselt, einer nur festgenommen.
...
Ulrich Sander“

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