Mittwoch, 7. September 2011

Notizen aus der Provinzhauptstadt: Bauchlandung unterm Stammtisch

Im März 2011 lachte das ganze Land über den Schildbürgerstreich, als der Dortmunder Stadtrat auf Betreiben der Nordstadt-SPD den Dortmunder Straßenstrich in Luft auflöste. Wer noch alle Tassen im Schrank hat, konnte nur den Kopf schütteln über soviel populistische Blindheit. Doch alles was rechts ist in Dortmund, war sich einig. Das Problem, das uns die EU mit den Armutsflüchtlingen aus Südosteuropa aufgehalst hat, sei mit den Methoden des preußischen Schutzmanns zu lösen: Verbieten, verjagen, bestrafen. Für den preußischen Charakter ist die Welt in Ordnung, wenn die Unzucht sich nicht offen auf der Straße zeigt. Schon immer galt der preußischen Moral das Unanständige als Nährboden aller Verbrechen.

In Dortmund triumphiert der preußische Schutzmann sogar leibhaftig - in Gestalt eines Polizeipräsidenten, der bundesweit berüchtigt ist für die Verwechslung von Tätern und Opfern. Man sollte mal untersuchen, ob es einen Zusammenhang gibt zwischen seiner Eignung und der Tatsache, dass Dortmund eine der höchsten Kriminalitätsraten in deutschen Großstädten aufweist. Und dieser Hobby-Sheriff erzählte uns, die Straßenprostitution sei der Nährboden für Kriminalität, deshalb sei der Straßenstrich zu verbieten, zack zack, verschwindet auch die Kriminalität – nämlich von der Straße in die verschwiegenen Etablissements. Da lachten die Hühner, aber die Stammtische klatschten Beifall, und mit ihnen die Ratsmehrheit.

- Übrigens erinnerte mich die Schließung des Dortmunder Straßenstrichs tatsächlich an die Geschichte, wie die Schildbürger ihre Stadt zerstörten: Um eine schwarze Katze zu vertreiben, die bekanntlich Unglück bringt, legten sie Feuer an jedes Haus, auf dessen Dach sich die Katze flüchtete, bis schließlich die ganze Stadt in Schutt und Asche lag.-

Aber in Luft ließ sich der Strich nicht auflösen. Wer noch alle Tassen im Schrank hat, wußte, dass weder die Armutsprostitution noch die damit verbundene Drogensucht noch die Zuwanderung aus den Armenhäusern Europas mit Verboten zu stoppen sind. Jetzt, ein Vierteljahr nach der Schließung des Straßenstrichs, zog die Prostituierten-Beratungsstelle „Kober“ eine erste Bilanz. Es kam wie es kommen mußte. Die Prostitution hat sich vom ehemaligen Straßenstrich (Ravensberger Straße) in die Wohngegend südlich des Nordmarkts verlagert, mehr oder weniger getarnt von Kneipenhinterzimmern und Teestuben aus, die Dunkelziffern sind sehr hoch, denn was früher offen sichtbar war, entzieht sich jetzt der Kontrolle. Der Freiersuchverkehr in den Wohnstraßen hat eher noch zugenommen. Der Zuzug aus Osteuropa hält an.

Denn Armut und Drogensucht lassen sich nun mal nicht verbieten, sondern nur mit wirtschaftlichen und sozialpolitischen Strategien bekämpfen. Ob sich das auch noch bis Schilda herumspricht?

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