Freitag, 28. Oktober 2011

Notizen aus der Provinzhauptstadt: Die Stadtfinanzen auf dem Zockertisch

Dass viele Stadtkämmerer inzwischen munter mitzocken an den Finanzmärkten und dadurch von Getriebenen selbst zu Treibern der Finanzkrise wurden, habe ich in diesem Blog schon mehrmals aufgespießt (Näheres dazu in der Broschüre von 2008 der Dortmunder Linksfraktion: „Zocker im Rathaus“). Dabei profitierten sie seit 2008 vom sensationell niedrigen Krisenniveau der Kapitalmarktzinsen. Das verführte Stadträte dazu, Haushaltslöcher mit immer noch mehr kurzfristigen Krediten zu stopfen. So wächst der Schuldenberg der Stadt Dortmund in nur fünf Jahren (Ende 2007 bis Ende 2012) von 1,5 Milliarden € auf über 2,2 Mrd - dennoch konnten die jährlichen Zinszahlungen in der Krise zunächst von 80 auf 55 Mio € gedrückt werden.
Doch nun schlägt die Bankenkrise voll auf die Kommunalhaushalte zurück:

EZB schürt Inflation

„Um die Märkte zu beruhigen,“ kauft die Europäische Zentralbank (EZB) seit Mitte 2010 in großem Umfang Staatsanleihen überschuldeter Länder auf und hat dafür schon 200 Mrd € zusätzlich in den Markt gepumpt. Diese Geldschwemme heizt aber nicht nur die Spekulation weiter an, sondern treibt auch die Inflationsrate schon jetzt spürbar hoch. Die Folgen für die Stadtkasse: Noch schneller laufen die Ausgaben den Einnahmen davon. Die derzeitige Teuerung von 2,4 % verursacht bei der Stadt Dortmund 40 Millionen mehr an Aufwendungen, ohne dafür einen Gegenwert zu erhalten.

Zweite Bankenrettung

Wenn jetzt zur Abfederung von Staatspleiten die Banken ihr Eigenkapital aufstocken sollen, wie beim jüngsten EU-Gipfel beschlossen, werden auch die Kommunen das mit höheren Zinsen bezahlen. Einige Banken gehen schon dazu über, Kommunen nach deren Haushaltsrisiken zu bewerten und entsprechende Risikoaufschläge zu verlangen. Läuft die Aufstockung gar über Staatsbeteiligungen, werden Bund und Länder den Spardruck auf das schwächste Glied der Staatsfinanzen, die Kommunen weiter verschärfen.

Wenn die Euro-Bürgschaften fällig werden

Sollten nach Griechenland und Portugal weitere Staaten unter den Euro-Rettungsschirm kriechen – Italien steht kurz davor – dürfte Deutschlands Bürgschaft über Hunderte Milliarden fällig werden. Dann dürfte auch das deutsche AAA-Rating fallen – die Folge: steigende Zinsen, auch für die deutschen Städte. Dasselbe gilt erst recht, falls die Euroländer doch noch Eurobonds einführen. Deren Rating liegt dann weit unter AAA. Die Refinanzierung der Kommunen würde sich dadurch schlagartig um mehrere Prozentpunkte verteuern.

Auf dem Weg zum Dauertropf

Vor dem jüngsten Krisengipfel kam heraus, dass Griechenland mindestens noch zehn Jahre lang am Tropf hängen wird. Von anderen Pleitekandidaten ganz abgesehen. Das läuft ab 2013 auf den Umbau der EU in eine „Transferunion“ hinaus – oder weniger chauvinistisch ausgedrückt: auf einen Finanzausgleich zwischen starken und schwachen Volkswirtschaften. Das wäre zwar gerecht, aber mit dem billigen Geld in Deutschland ist dann Schluß.

Leistungsbilanzen ausgleichen

Auf schwarze Zahlen kommen die schwächeren Euroländer erst wieder, wenn Deutschland bereit ist, seine riesigen Leistungsbilanzüberschüsse in Europa abzubauen (750 Mrd €). Das heißt, bei uns muss die gesamte Wirtschaftspolitik bis hinunter zur kommunalen Wirtschaftsförderung radikal umdenken: von der Exportlastigkeit weg zur Stärkung der Binnenkaufkraft, zur Umverteilung von den Reichen auf die breite Masse, von der Konkurrenz zum sozialen Ausgleich, von der Unternehmerförderung weg zur öffentlichen Beschäftigungsförderung, mit Mindestlöhnen und Arbeitszeitverkürzung.

Solange die Politik hierzulande diese Zusammenhänge ausblendet, zocken auch unsere Stadtspitzen sich selbst immer tiefer in die Finanzkrise. So steigt Dortmunds jährliche Zinslast von Ende 2010 bis 2015 um 44 Mio €, von 55 auf 99 Mio. Diese Zinsen landen überwiegend bei privaten Banken, die sie – verzocken. Wer das nicht will: Occupy your community!

Donnerstag, 20. Oktober 2011

Reset oder Neustart ?

Täglich mehren sich die Stimmen, die einen „Neustart“ für unumgänglich halten. Nur –  Neustart von was ? Die einen raten zum Neustart des Euro, auf Grundlage einer gleichgeschalteten Wirtschaftspolitik, natürlich nach den Interessen der stärksten Wirtschaftsmacht, also der deutschen. Manche wollen gleich „Europa“ neu erfinden, mit einer gemeinsamen Verfassung, Zentralregierung gar, mit „Durchgriffsrechten“ in die Nationalstaaten. Ganz radikale Querdenker erkennen Fehler im „System“ und sehen folglich einen Neustart des Kapitalismus voraus, mit Annullierung von Staatsschulden, Zwang zu ausgeglichenen öffentlichen Haushalten, strenger Regulierung der Spekulation (ohne die Kapitalismus leider nicht zu haben ist), noch engerer Verschmelzung des Staates mit Banken und Versicherungen.
Auch wenn es im Moment nicht danach aussieht, als könnten die herrschenden Klassen Europas sich auf irgendeinen Ausweg aus der Krise verständigen – die Krise selbst wird ihnen eine der oben skizzierten Lösungen aufzwingen. Keine wird uns mehr Demokratie, mehr Wohlstand für die Masse bescheren. Aber jede kann nur den Boden bereiten für den nächsten Durchlauf, bis zur nächsten, jeweils tieferen Systemkrise.
Also Finger weg vom "Reset"-Knopf, kein "Zurück auf Anfang" des immer wieder abstürzenden Ausbeutungssystems. Ein wirklicher Neu-Start sieht anders aus. Macht die Augen auf und seht euch um, wo Neues startet.

Donnerstag, 13. Oktober 2011

Notizen aus der Provinzhauptstadt: Unsozialticket

Zwei Jahre lang, von 2008 bis 2010, war Dortmund Vorbild im ganzen Land mit einem Sozialticket auf Busse und Bahnen für 15 € im Monat. Das entsprach etwa dem Hartz-IV-Regelsatz für „fremde Verkehrsleistungen“. Politisch durchgekämpft in vier Jahren von einem breiten Bündnis um das Dortmunder Sozialforum, im Stadtrat von Linkspartei und Grünen, beschlossen mit den Stimmen der zähneknirschenden SPD, war dies Pilotprojekt von Anfang an ein Dorn im Auge des Stadtwerke-Vorstandes. Der es mit allen Mitteln sabotierte. Mit falschen Rechnungen an die Stadtkasse den Vorwand lieferte, dass SPD, CDU und FDP 2010 den Preis auf knapp 32 € anhoben. Was zwei Drittel der Abonnenten unbezahlbar fanden.
Jetzt, nach dem Regierungswechsel in Düsseldorf hätte die Chance bestanden, im Rahmen des Verkehrsverbunds Rhein-Ruhr (VRR) den Ticketpreis unter 30 € und sogar mit Hilfe des zugesagten Landeszuschusses wieder in die Nähe des – inzwischen erhöhten – Hartz-IV-Regelsatzes zu senken (ca. 23 €).
Das lehnte eine große Koalition im Rat ab. Ebenso wie den Antrag der LINKEN auf Wiederherstellung des 15-€-Tickets verweigerte sie sogar, die der Stadt zustehenden Landesmittel zu beantragen.
Das beweist: Den Platzhirschen geht es nicht mal mehr nur darum, ihre Stadtkasse zu schonen. Auch der SPD ist das arme Drittel der Einwohnerschaft inzwischen schlichtweg wurscht.
Das ist nur konsequent. Denn nach sieben Jahren Schröder-Agenda (Niedriglohnsektor, Prekarisierung, Drangsalierung der Abgehängten) kann die SPD bei den unteren Schichten ohnehin keinen Blumentopf mehr gewinnen – also sucht sie ihr Heil nur noch im Wettstreit mit der CDU um die Bessergestellten. Die brauchen kein Sozialticket.

Dienstag, 11. Oktober 2011

Immer mehr Leute ahnen...

...die auch ihr persönliches Leben verstörenden Katastrophen könnten irgendwie im Kapitalismus begründet sein. Dann wird es Zeit, bei Marx nachzulesen, wie das kommt und geht. Und von dort aus...