Sonntag, 19. August 2012

Notizen aus der Provinzhauptstadt: „Postdemokratie“ oder ein alter Hut. Die Chancen der LINKEN bei den kommenden Wahlen

Ein Diskussionsbeitrag vor der Wiederholung der Dortmunder Ratswahl
„Ach hör doch auf mit deinen rosaroten Träumen. Bis sich hier mal was bewegt, ist die LINKE aus allen Parlamenten und Räten geflogen.“ So ungefähr lautete der Einwand. Ich hatte behauptet, die LINKE sei nur als „Bewegungspartei“ überlebensfähig. Das war einige Wochen vor der Wiederholungswahl zum Dortmunder Stadtrat bei einer Diskussion unserer Wahlkampftaktik.

Rosarote Träume? Vor 42 Jahren, als junger Stadtplaner und Stipendiat der Victor-Gollancz-Stiftung für Gemeinwesenarbeit, versuchte ich mit einem Team von Sozialarbeiter-innen und –Pädagog-innen im Sanierungsgebiet München-Haidhausen, die alteingesessenen Mieter, größtenteils mit Einkommen am Existenzminimum, gegen ihre Verdrängung durch Luxussanierung zu mobilisieren. Drei Jahre lang erforschten wir, woran es lag, daß von einigen Tausend Sanierungsopfern nur ein paar Dutzend sich gemeinsam gegen die Kumpanei der Stadtverwaltung mit mächtigen Kapitalinteressen zur Wehr setzten, bis auch sie aufgaben und in preisgünstigere Viertel wegzogen.

Was wir damals herausfanden, gilt kaum verändert noch 42 Jahre später, und linke Kommunalpolitik muß es als einen ihrer Ausgangspunkte akzeptieren: Leute, die nicht der wohlhabenden und gebildeten Oberschicht der Stadt angehören, also die allermeisten Leute erfahren von klein auf, daß sie – von wenigen cleveren Individuen abgesehen – keinerlei Chancen haben, die Regeln und Werkzeuge des politischen Betriebs für ihre Interessen zu gebrauchen. Diese Regeln und Werkzeuge sind einfach nicht für sie gemacht. Warum also sollten sie nach solchen Erfahrungen die Mühen und Risiken auf sich nehmen, sich in die Schiebereien und Kungeleien der Kommunalpolitik einzumischen? Lohnt sich doch im allgemeinen nicht einmal die Mühe, aus der verlogenen Wahlpropaganda der Parteikarrieristen jeweils ein kleineres Übel herauszufiltern und mit dem Wahlkreuz zu versehen.

Von dieser Grunderfahrung der meisten Menschen hat linke Kommunalpolitik auch heute auszugehen. Welche Schlußfolgerungen sich daraus ergeben, auch mit Blick auf absehbare Wahlergebnisse, möchte ich in zwei Folgebeiträgen darstellen.

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