Dienstag, 28. Mai 2013

Notizen aus der Provinzhauptstadt: Geheimpolitik gegen die Bürger

Die Geheimniskrämerei der Stadtverwaltung Dortmund stinkt zum Himmel. Jeder Haushalt in der Stadt muss Abwassergebühren zahlen. Die dürfen nur die Kosten der Abwasserbeseitigung decken. Jeder Bürger hat das Recht, das nachzuprüfen. Doch wer es versucht, läuft auf der öffentlichen website der Stadt vor die Wand der Geheimhaltung. Der Zugang zur Gebührenkalkulation ist ebenso gesperrt wie zum Abwasserbeseitigungskonzept der Stadt.
Ob RWE nach 2014 weiter an der Dortmunder Energie- und Wasserversorgung (DEW21) beteiligt bleibt, kungelt ein "Sonder-Ältestenrat" hinter verschlossenen Türen aus. Ein Gremium, das nach der Gemeindeordnung gar nicht existiert. Das weckt böse Erinnerungen an die berüchtigte "Bittermarkrunde", in der vor zwanzig Jahren die DEW gegründet wurde, von den damaligen SPD-Stadtspitzen zusammen mit dem VEW-Konzern (der später von RWE geschluckt wurde). Die Dortmunder Mauschelrunde machte damals bundesweit Schlagzeilen - geändert hat sich an der Praxis bis heute nichts.
Der Grund für die Geheimbündelei liegt auf der Hand: Die Bürger-innen sollen von der Verfilzung der Stadtpolitik mit dem privaten Stromkonzern möglichst wenig erfahren, denn mit seiner Marktmacht auch in den Kommunen ist RWE eines der vier Riesenunternehmen, die in Deutschland (und Dortmund) die Strompreise auf europaweite Spitzenwerte getrieben haben. Und das soll munter so weiter gehen, dafür biegt RWE auch die Energiewende nach seinen Profitinteressen zurecht. Wir sollen zahlen, ohne die Hintergründe zu kennen.
Das Bündnis "DEW kommunal" hat gegen die Geheimpolitik jetzt Beschwerde bei der Kommunalaufsicht erhoben. Der Regierungspräsident hat von der Stadt eine Begründung ihrer Geheimniskrämerei angefordert, mit Termin bis Anfang Juni, also noch vor der nächsten Sitzung des "Sonder-Ältestenrats".
Man darf gespannt sein, ob das Sprichwort von den "Krähen..." auch hier zutrifft.

Sonntag, 19. Mai 2013

Imperialistische Dialektik – oder: Mit Speck fängt man Mäuse. Notizen zu zwei aktuellen Streitfragen unter Linken



Vierzig Jahre lang, von 1949 bis 1989 gab die westdeutsche Bundesrepublik das abstoßende Bild einer Demokratie auf dem Rückzug. Ihre Parlamentsparteien lösten sich in wechselnden Koalitionen an den Hebeln der Staatsmaschine ab, ohne dass sich an den gesellschaftlichen Machtverhältnissen zwischen der großbürgerlichen Oligarchie und der subalternen Mehrheit je etwas änderte; im Gegenteil sicherte die Austauschbarkeit der „Volksparteien“ die ungefährdete Kontinuität der großbürgerlichen Herrschaft. Der angebliche Souverän, die abhängig arbeitende Masse hat sich repräsentativ befrieden lassen, hat das Bewußtsein der Klassenspaltung der Gesellschaft beinahe restlos verloren und jeglichen Anspruch auf politische Macht aufgegeben zugunsten der privaten Konkurrenz gleichberechtigter Verbraucher auf Warenmärkten (zu denen inzwischen selbstverständlich auch die Politik zählt: „Bringen Sie das Geld, dann können Sie mitreden“, F.J.Strauß). Nicht anders die Masse der Erwerbslosen. Die einstige Klassenorganisation der Ausgebeuteten, die Gewerkschaften haben den Klassenkampf gegen die Ausbeutung längst ersetzt durch Verteilungskämpfe zwischen Berufsgruppen (unter denen der “Beruf“ des Unternehmers nur als einer von vielen gilt). 

Für Krisenzeiten wurde vorgesorgt. Sofern Kritik sich zu Fundamentalopposition verfestigt, wird sie bespitzelt und bedroht mit dem ganzen Arsenal des Polizei-, Straf- und Verfassungsrechts, von Berufsverboten über Vereinigungsverbote bis zum noch immer rechtskräftigen KPD-Verbot. Die 68‘er Revolte verlief sich auf dem Weg in die Institutionen und ins Sektenabseits. Noch Willy Brandts berühmtes Wahlversprechen von 1969 „Mehr Demokratie wagen“ gestand im Subtext ein, dass für die herrschende Schicht Demokratie immer ein Wagnis bleibt. Wozu die SPD sechzig Jahre brauchte, das schafften die Grünen in zehn: Koalitionsfähig zu werden, das heißt verlässliche Stütze der bürgerlichen Herrschaft.

Doch dann traten zwei weltgeschichtliche Ereignisse ein und bringen nun die fein geknüpften Sicherheitsnetze der Macht durcheinander. Beide hängen mit der Machterweiterung des deutschen Kapitals zusammen.

1. Der Kollaps der DDR sah zunächst bloß nach Kapitulation des Sozialismus vor der scheinbar haushohen Überlegenheit des Kapitalismus und der bürgerlichen Demokratie aus. Doch er bereicherte auch die nun gesamtdeutsche Gesellschaft um eine erkleckliche Anzahl Menschen, die auch nach zwanzig Jahren leibhaftiger Erfahrung mit diesem Kapitalismus und dieser Demokratie nicht vergessen wollen, dass eine Alternative dazu möglich und erstrebenswert bleibt. Sie haben eine eigene Partei gebildet und sich mit Gleichgesinnten im Westen zusammengeschlossen. 

Diese Partei steht am Scheideweg. Ich halte es für eine äußerst spannende und heute durchaus offene Frage, ob sie den Weg der SPD und der Grünen geht und sich den Machthabern als weitere Reformvariante für deren Herrschaft andient (mit Speck fängt man Mäuse) – oder ob sie sich zur Fundamentalopposition verfestigt.

Diese müsste ja schon durch ihre bloße Existenz und Selbstbehauptung allein gegen den ganzen repressiven und manipulativen Herrschaftsapparat die Klassenspaltung der kapitalistischen Gesellschaft wieder sichtbar und bewußt machen und die bürgerlichen Befriedungstechniken unterlaufen. Damit, und das heißt: nur indem die LINKE sich zur Fundamentalopposition durchringt – was natürlich Kämpfe um Reformen im Interesse der Bevölkerungsmehrheit immer einschließt! – wäre die Machtfrage historisch wieder offen.

2. Nicht zuletzt infolge des Untergangs des sozialistischen Lagers hat das deutsche Kapital eine Stärke erlangt, die ihm nun erlaubt (und es aufgrund der ökonomischen Logik auch dazu zwingt), ganz Europa seinen, den deutschen Verwertungsbedingungen unterzuordnen. Damit droht die aktuelle ökonomische und Krise der Staatsfinanzen in eine brandgefährliche machtpolitische Konfrontation, zwischen dem deutschen „Kerneuropa“ und der von ihm ruinierten, zur deutschen „Sonderwirtschaftszone“ entrechteten Peripherie zu eskalieren.



Ich halte es für abenteuerlich, diesen Konflikt „von Deutschland aus“ lösen zu wollen, wie manche Linke es jetzt diskutieren: Die deutsche Linke hat nicht die Macht dazu – und die deutsche Rechte hat solche Konflikte nie friedlich-demokratisch gelöst. Die LINKE hat in dieser Lage für sich nur eine Möglichkeit: Sie muss sich bedingungslos ohne Wenn und Aber auf die Seite der anderen Völker gegen die deutsche Übermacht stellen. Und wenn die anderen ihr Recht auf Austritt aus dem Euro einfordern, dann müssen wir sie darin unterstützen. Alles andere käme der “Vaterlandsverteidigung“ der SPD von 1914 bis 2013 gleich.

Freitag, 17. Mai 2013

Notizen aus der Provinzhauptstadt: Banausenpolitik verramscht kulturelles Erbe


Vor dem Hintergrund der ungeheuren Zerstörungen Dortmunds im 2. Weltkrieg war es umso bewundernswerter, dass die Malocherstadt schon 1947 bis 1956 sich den Neubau eines Museums für moderne Kunst leistete. Noch dazu wurde dies Gebäude selbst eine Perle zeitgenössischer Baukunst. Seine Innenarchitektur bildet eine der gelungensten Raum-Licht-Kompositionen deutscher Museen. Und noch niemand prahlte damals von "Westfalenmetropole" und "Kulturhauptstadt" - umso mehr wären die Marktschreier von heute eigentlich verpflichtet, das Baudenkmal zu erhalten und zu pflegen.

Doch am 2. Mai 2013 beschloss eine Dortmunder Ratsmehrheit - gegen die Stimmen nur der Linksfraktion! - das Museum abzureißen und das Grundstück an einen privaten Investor zur "Verwertung" zu verhökern, der dort in bester Citylage, mit eigenem Park drum herum, hochpreisige Seniorenresidenzen errichten will.

Seit zwanzig Jahren schon hatte die banausische Stadtspitze das Baudenkmal verkommen lassen. Und seit 2003 der Radeberger Bierkonzern (Oetker) seine Dortmunder Unionbrauerei liquidierte und der damalige OB die Chance witterte, im Brauereiturm sich ein monströses Denkmal zu setzen, arbeiteten die Banausen um ihn herum zielstrebig auf das Ende des Museums am Ostwall hin. Alle Angebote von verschiedenen Vereinen und Verbänden, das Gebäude zu sanieren und weiter öffentlich kulturell zu nutzen, wurden trickreich sabotiert, Proteste stur ausgesessen. Nun haben die Privatisierer öffentlicher Werte ihr Ziel erreicht. Das unterscheidet Banausen von Malochern.