Sonntag, 29. September 2013

Ist die Dortmunder Politik dümmer oder korrupter als in anderen Städten?

Rede unseres LINKEN-Fraktionsvorsitzenden im Dortmunder Stadtrat, Utz Kowaliewski, am 26.09.2013 zu unserem Antrag, den RWE-Anteil an der Dortmunder Energie und Wasser (DEW21 GmbH, RWE-Anteil 47 %) in kommunales Eigentum zu überführen. Am 31.12.2014 läuft der entsprechende Gesellschaftsvertag der DEW aus.
Anrede,

nach Ansicht der Fraktion DIE LINKE und von B90/ Die Grünen ist die Energiewende in Dortmund mit einem Partner wie RWE nicht effektiv umsetzbar. RWE ist ein Unternehmen, dessen Geschäftsmodell vom Betrieb großtechnischer Anlagen zur Stromerzeugung abhängt. Daher ist RWE nach wie vor ein Atomkonzern und als Europas größter Braunkohleverstromer einer der größten Klimakiller überhaupt.

Die Energiewende und der Atomausstieg sind eine bundespolitische Beschlusslage mit allen Auswirkungen auf RWE, aber auch auf DEW21. Nach der Abwahl der amtierenden Bundesregierung am letzten Sonntag gibt es bereits Aussagen aus den Fraktionen von SPD, Grünen und Linken, dass die Energiewende - gleich in welcher Konstellation Deutschland künftig regiert werden mag - weitergeführt werden soll.

Das bisherige Geschäftsmodell von RWE steht damit grundsätzlich zur Disposition. Eine Umfrage des Wuppertalinstitutes unter den Leitungsebenen der vier großen Energiekonzerne in Deutschland kommt zu genau diesem Ergebnis. Die großen Vier – insbesondere RWE - haben angesichts der Herausforderungen des Klimawandels derzeit kein funktionierendes Geschäftsmodell.
Die Wirtschaftswoche berichtet in dieser Woche, dass RWE ein Schuldenberg von 35 Mrd. Euro drückt, weil sie mit ihren umweltschädlichen Kraftwerken kaum noch Geld verdienen. Deshalb sollen nun Kraftwerke an Finanzinvestoren verkauft werden und aktuell weitere 3000 Arbeitsplätze abgebaut werden. Darüber hinaus sollen einige Sparten von RWE in Billiglohnländer verlagert werden. Da brauchen wir als Dortmunder Kommunalpolitik uns keiner Illusion hinzugeben – DEW als Beteiligung ist für RWE nett, weil DEW gutes Geld verdient. Aber RWE davon abzuhalten Arbeitsplätze abzubauen oder in die Struktur des Konzerns bei der Standortfrage einzugreifen, wäre eine maßlose Selbstüberschätzung der Dortmunder Lokalpolitik. Entsprechende Vorstellungen können wir in den Anträgen der großen Fraktionen aber lesen.

Mit dem Gemeinschaftskraftwerk Gekko fahren wir ja auch kein Geld ein, sondern Verluste, die dann auch bei DEW21 bisher rund 60 Arbeitsplätze gekostet haben. Soweit zur Legende, eine Zusammenarbeit mit RWE würde in Dortmund Arbeitsplätze bewahren. Das ist aus unserer Sicht Propaganda.

Die ersten Eruptionen dieses Zustandes von RWE sind bereits in Dortmund angekommen: Der RWE-Aktienbestand muss abgewertet werden und wird die allg. Rücklage der Stadt Dortmund um 30-50 Mio. Euro verringern. Darüber hinaus brechen die Dividendenzahlungen für den RWE-Aktienbestand ein.

Meine Damen und Herren, auf das Wohlergehen einzelner Klimasünder darf verantwortungsbewusste Politik im Bund allerdings auch keine Rücksicht nehmen, denn eine aktuelle Studie im Auftrag der Vereinten Nationen aus dem April 2013 spricht Tacheles. Die angesehensten Klimaforscher der Welt gehen in dieser Studie davon aus, dass wir den zeitlichen Wettlauf gegen die Erderwärmung verlieren werden. Der CO2-Ausstoß ist weltweit so hoch wie nie zuvor. Das letzte Zeitfenster um noch gegenzusteuern soll sich demnach spätestens 2030 schließen.

Dieser Anstieg in der CO2-Bilanz ist auch in Dortmund zu finden, wie das Wuppertalinstitut im Auftrag der Stadt Dortmund berechnet hat. Zwar hat die Verwaltung selbst ihre Hausaufgaben gemacht und in deutlichem Umfang Energie eingespart, wie der Energiebericht der Immobilienwirtschaft eindrucksvoll belegt. Das war eine richtig gute Arbeit. Aber sowohl die Wirtschaft, als auch die privaten Haushalte und der Verkehr haben zugelegt und damit die CO2-Bilanz der Stadt Dortmund im Vergleich zum Vorjahr verschlechtert.

Meine Damen und Herren, Dortmund steht in der Verantwortung dem Klimawandel entgegen zu wirken. Das ist uns allen bewusst. Doch alle schönen Masterpläne sind ohne großen Effekt, wenn es uns nicht gelingt uns aus der Umklammerung von RWE und seinen Lobbyisten zu befreien. Nibelungentreue ist die falsche Antwort auf die Herausforderungen vor denen wir stehen.

Der große Dissens im energiepolitischen Diskurs ist nun mal, ob Energie zentral wie bei RWE erzeugt werden sollte, oder dezentral bei kommunalen Stadtwerken und den Verbrauchern selbst. RWE scheitert mit seinem Großkraftwerke-Modell auch im Bereich der erneuerbaren Energien derzeit grandios. Der Konzern verkauft aktuell seine Installationsschiffe für Offshore-Windanlagen samt ihrer Betriebsgesellschaft, weil ihm nicht mal die Anschlüsse dieser Anlagen ans Stromnetz und der Transport über weite Strecken zum Endverbraucher gelingen will.

Die Lösung sind dezentrale Anlagen nahe am Verbraucher. Doch dafür braucht man vor Ort keinen Partner, der derartige strukturelle Defizite hat. Dafür braucht man eine unabhängige DEW21 als treibende Kraft der Energiewende hier in Dortmund. Deshalb sind wir dafür uns zum 31.12.2014 von RWE als Gesellschafter der DEW21 zu trennen. Wir werden daher für die Variante 2 der Verwaltungsvorlage stimmen.

Nach dem Gutachten von KPMG entstünde bei Annahme dieser Variante ein Finanzierungsaufwand von etwa 400 Mio. Euro nach gegenwärtigem Stand. Das kann zum Stichtag 31.12.2014 allerdings deutlich anders sein, je nachdem welche Rahmenbedingungen dann vorliegen.
Wie wir aus dem Kolloquium des Ältestenrates wissen werden die den Berechnungen zugrunde liegenden sehr konservativen Annahmen von KPMG längst nicht von allen Gutachtern geteilt. Das beratende Unternehmen Becker, Büttner, Held aus München hat die Annahmen die den Berechnungen von KMPG zugrunde liegen, für deutlich zu pessimistisch eingestuft und geht von einem deutlich niedrigeren Finanzierungsaufwand aus.

Aber bleiben wir mal bei den Zahlen von KPMG. Damit würde bei vollständiger Finanzierung über den Kapitalmarkt ein jährlicher Zinsaufwand von 12 Mio. Euro entstehen. Bisher fließen in normalen Geschäftsjahren aber um die 20 Mio. Euro aus den Gewinnen der DEW in die Kasse des RWE. Wir wären also in der Lage über die bisherigen Gelder für RWE sowohl die 12 Mio. Zinsaufwand als auch rund 8 Mio. Euro für die Tilgung zu finanzieren.

Natürlich halten wir auch die Einrichtung eines Bürgerfonds zum Erwerb von Anteilen für sinnvoll.

Um den Finanzierungsaufwand noch weiter zu reduzieren, möchten wir es aber den Stadtwerken freistellen, einen Teil der Finanzierung über eine Veräußerung von RWE-Aktien sicherzustellen. Der Aktienbestand muss dazu nur zum Teil angegriffen werden. Und das sollten wir tun, bevor der Wert dieser Aktien weiter ins Bodenlose fällt und sie am Ende der RWE-Turbolenzen nur noch den Wert von bedrucktem Papier haben.

Das RWE in massiven Problemen ist, scheint nicht nur Grünen und Linken aufgefallen zu sein, sondern auch der CDU. Wie Grüne und LINKE hat die CDU in ihrem Antrag eine Change-of-Control-Klausel eingefügt, für den Fall das RWE als möglicher Übernahmekandidat an den Börsen seine Selbstständigkeit verliert. Gazprom und Katar werden seit 2011 als Interessenten für eine solche feindliche Übernahme in den Börsennachrichten gehandelt. Im Übrigen kann durchaus der Ausgang des Syrienkrieges und den dortigen Erdgaspipelineplänen einen Einfluss darauf haben, wer hier zuerst den finanziellen Angriff auf RWE wagt. Diesem Aspekt des CDU-Antrages werden wir daher zustimmen. Zusätzlich möchten wir ein jährliches Sonderkündigungsrecht aus wichtigem Grund vorsehen.

Diese Art der Finanzierung über die Dividenden der erworbenen Unternehmensanteile ist im Übrigen analog zur Finanzierung beim Erwerb der STEAG. Auch dort werden der Kapitaldienst und die Tilgung über die Dividendenausschüttung finanziert. Und was bei der STEAG nicht nur von der LINKEN, sondern auch von SPD und CDU als seriöse Finanzierung hier im Rat mit einer Mehrheit begrüßt wurde, dass ist entsprechend auch bei DEW eine seriöse und machbare Finanzierung.

Gar kein Verständnis habe ich aber für die aktuellen Anträge die Gesellschaftsstruktur von DEW gar nicht zu verändern und bei 47% RWE-Anteil zu belassen und darüber hinaus den Gesellschaftsvertrag auch noch zu entfristen. Dies ist schon eine sehr extreme RWE-Position, die hier im Rat heute durchgesetzt werden soll. Da bin ich sehr auf den Spruch des Bundeskartellamtes gespannt, denn die Entfristung stellt ja kartellrechtlich eine deutliche Verschlechterung gegenüber dem aktuellem Zustand dar. Bei der Entfristung der RWE-Beteiligung am kleinen Stadtwerk in Ahaus wurde so ein Manöver vom Kartellamt als Fusion bezeichnet, gleichwohl aufgrund der geringen Größe von Ahaus genehmigt.

Wir schlagen dagegen vor, falls Variante 2 keine Mehrheit findet erneut eine Befristung vorzunehmen und in 10 Jahren die im Wandel befindliche energiepolitische Landschaft und auch den dann aktuellen Zustand von RWE erneut zu betrachten.

Wünschenswert wäre es dem Beschlusstext der Verwaltungsvorlage noch einen weiteren Satz hinzuzufügen, der für RWE in den Verhandlungen einen Unsicherheitsfaktor beinhaltet und von Herrn Pehlke als Hebel zur Durchsetzung unserer sonstigen Wünsche eingesetzt werden kann. Diesen finden sie unter Punkt 6 unseres Antrages.

Zufrieden sind wir damit, dass die Zahlung einer Mindestdividende von allen Ratsfraktionen ähnlich bewertet wird. Diesen Punkt werden wir in allen Ratsanträgen annehmen.

Interessant wiederum sind die Anträge zur Beschaffenheit eines künftigen Aufsichtsrates der DEW. Wir möchten an dieser Stelle gerne die kommunale Demokratie stärken. Das im Aufsichtsrat einer derart wichtigen städtischen Beteiligung gerade einmal drei gewählte Ratsmitglieder sitzen, ist nun wirklich ein Unding. Hier muss die Präsenz des Rates nun wirklich deutlich gestärkt werden. Noch ein Wort zum SPD-Antrag: Vieles was Sie jenseits der Beteiligungsverhältnisse aufgeschrieben haben, sind Selbstverständlichkeiten, wie zum Beispiel die Arbeitnehmermitbestimmung. Das werden wir natürlich mittragen.

Interessieren würde mich noch ihre Gegenfinanzierung für den Erwerb von DEW-Anteilen aus dem städtischen Haushalt. Wir tragen das mit, aber wir sollten dann den Kämmerer auch dazu beauftragen, nicht nur einen Kaufpreis zu zahlen, sondern eine ähnliche Summe als Ausschüttung der DSW wieder in den Haushalt zurück zu führen.

Meine Damen und Herren, mit ihrem angekündigtem Abstimmungsverhalten zu den Varianten der Verwaltungsvorlage, machen Sie es nun Herrn Pehlke leicht. Denn wenn man mit der Position der Gegenseite in eine Verhandlung gehen muss, erwartet niemand, dass man etwas erreichen kann. In diesem Sinne wünschen wir den Verhandlungen dann auch ausdrücklich mal keinen Erfolg, denn wenn die Verhandlungen scheitern, dann ist RWE automatisch draußen.

Danke für die Aufmerksamkeit

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