Ist die Dortmunder Politik dümmer oder korrupter als in anderen Städten?
Rede unseres LINKEN-Fraktionsvorsitzenden im Dortmunder Stadtrat, Utz Kowaliewski, am 26.09.2013 zu unserem Antrag, den RWE-Anteil an der Dortmunder
Energie und Wasser (DEW21 GmbH, RWE-Anteil 47 %) in kommunales Eigentum zu überführen. Am 31.12.2014 läuft der entsprechende Gesellschaftsvertag der DEW aus.
Anrede,
nach Ansicht der Fraktion DIE LINKE und von B90/ Die Grünen ist die
Energiewende in Dortmund mit einem Partner wie RWE nicht effektiv
umsetzbar. RWE ist ein Unternehmen, dessen Geschäftsmodell vom Betrieb
großtechnischer Anlagen zur Stromerzeugung abhängt. Daher ist RWE nach
wie vor ein Atomkonzern und als Europas größter Braunkohleverstromer
einer der größten Klimakiller überhaupt.
Die Energiewende und
der Atomausstieg sind eine bundespolitische Beschlusslage mit allen
Auswirkungen auf RWE, aber auch auf DEW21. Nach der Abwahl der
amtierenden Bundesregierung am letzten Sonntag gibt es bereits Aussagen
aus den Fraktionen von SPD, Grünen und Linken, dass die Energiewende -
gleich in welcher Konstellation Deutschland künftig regiert werden mag -
weitergeführt werden soll.
Das bisherige Geschäftsmodell von
RWE steht damit grundsätzlich zur Disposition. Eine Umfrage des
Wuppertalinstitutes unter den Leitungsebenen der vier großen
Energiekonzerne in Deutschland kommt zu genau diesem Ergebnis. Die
großen Vier – insbesondere RWE - haben angesichts der Herausforderungen
des Klimawandels derzeit kein funktionierendes Geschäftsmodell.
Die
Wirtschaftswoche berichtet in dieser Woche, dass RWE ein Schuldenberg
von 35 Mrd. Euro drückt, weil sie mit ihren umweltschädlichen
Kraftwerken kaum noch Geld verdienen. Deshalb sollen nun Kraftwerke an
Finanzinvestoren verkauft werden und aktuell weitere 3000 Arbeitsplätze
abgebaut werden. Darüber hinaus sollen einige Sparten von RWE in
Billiglohnländer verlagert werden. Da brauchen wir als Dortmunder
Kommunalpolitik uns keiner Illusion hinzugeben – DEW als Beteiligung ist
für RWE nett, weil DEW gutes Geld verdient. Aber RWE davon abzuhalten
Arbeitsplätze abzubauen oder in die Struktur des Konzerns bei der
Standortfrage einzugreifen, wäre eine maßlose Selbstüberschätzung der
Dortmunder Lokalpolitik. Entsprechende Vorstellungen können wir in den
Anträgen der großen Fraktionen aber lesen.
Mit dem
Gemeinschaftskraftwerk Gekko fahren wir ja auch kein Geld ein, sondern
Verluste, die dann auch bei DEW21 bisher rund 60 Arbeitsplätze gekostet
haben. Soweit zur Legende, eine Zusammenarbeit mit RWE würde in Dortmund
Arbeitsplätze bewahren. Das ist aus unserer Sicht Propaganda.
Die ersten Eruptionen dieses Zustandes von RWE sind bereits in Dortmund
angekommen: Der RWE-Aktienbestand muss abgewertet werden und wird die
allg. Rücklage der Stadt Dortmund um 30-50 Mio. Euro verringern. Darüber
hinaus brechen die Dividendenzahlungen für den RWE-Aktienbestand ein.
Meine Damen und Herren, auf das Wohlergehen einzelner Klimasünder darf
verantwortungsbewusste Politik im Bund allerdings auch keine Rücksicht
nehmen, denn eine aktuelle Studie im Auftrag der Vereinten Nationen aus
dem April 2013 spricht Tacheles. Die angesehensten Klimaforscher der
Welt gehen in dieser Studie davon aus, dass wir den zeitlichen Wettlauf
gegen die Erderwärmung verlieren werden. Der CO2-Ausstoß ist weltweit so
hoch wie nie zuvor. Das letzte Zeitfenster um noch gegenzusteuern soll
sich demnach spätestens 2030 schließen.
Dieser Anstieg in der
CO2-Bilanz ist auch in Dortmund zu finden, wie das Wuppertalinstitut im
Auftrag der Stadt Dortmund berechnet hat. Zwar hat die Verwaltung selbst
ihre Hausaufgaben gemacht und in deutlichem Umfang Energie eingespart,
wie der Energiebericht der Immobilienwirtschaft eindrucksvoll belegt.
Das war eine richtig gute Arbeit. Aber sowohl die Wirtschaft, als auch
die privaten Haushalte und der Verkehr haben zugelegt und damit die
CO2-Bilanz der Stadt Dortmund im Vergleich zum Vorjahr verschlechtert.
Meine Damen und Herren, Dortmund steht in der Verantwortung dem
Klimawandel entgegen zu wirken. Das ist uns allen bewusst. Doch alle
schönen Masterpläne sind ohne großen Effekt, wenn es uns nicht gelingt
uns aus der Umklammerung von RWE und seinen Lobbyisten zu befreien.
Nibelungentreue ist die falsche Antwort auf die Herausforderungen vor
denen wir stehen.
Der große Dissens im energiepolitischen
Diskurs ist nun mal, ob Energie zentral wie bei RWE erzeugt werden
sollte, oder dezentral bei kommunalen Stadtwerken und den Verbrauchern
selbst. RWE scheitert mit seinem Großkraftwerke-Modell auch im Bereich
der erneuerbaren Energien derzeit grandios. Der Konzern verkauft aktuell
seine Installationsschiffe für Offshore-Windanlagen samt ihrer
Betriebsgesellschaft, weil ihm nicht mal die Anschlüsse dieser Anlagen
ans Stromnetz und der Transport über weite Strecken zum Endverbraucher
gelingen will.
Die Lösung sind dezentrale Anlagen nahe am
Verbraucher. Doch dafür braucht man vor Ort keinen Partner, der
derartige strukturelle Defizite hat. Dafür braucht man eine unabhängige
DEW21 als treibende Kraft der Energiewende hier in Dortmund. Deshalb
sind wir dafür uns zum 31.12.2014 von RWE als Gesellschafter der DEW21
zu trennen. Wir werden daher für die Variante 2 der Verwaltungsvorlage
stimmen.
Nach dem Gutachten von KPMG entstünde bei Annahme
dieser Variante ein Finanzierungsaufwand von etwa 400 Mio. Euro nach
gegenwärtigem Stand. Das kann zum Stichtag 31.12.2014 allerdings
deutlich anders sein, je nachdem welche Rahmenbedingungen dann
vorliegen.
Wie wir aus dem Kolloquium des Ältestenrates wissen
werden die den Berechnungen zugrunde liegenden sehr konservativen
Annahmen von KPMG längst nicht von allen Gutachtern geteilt. Das
beratende Unternehmen Becker, Büttner, Held aus München hat die Annahmen
die den Berechnungen von KMPG zugrunde liegen, für deutlich zu
pessimistisch eingestuft und geht von einem deutlich niedrigeren
Finanzierungsaufwand aus.
Aber bleiben wir mal bei den Zahlen
von KPMG. Damit würde bei vollständiger Finanzierung über den
Kapitalmarkt ein jährlicher Zinsaufwand von 12 Mio. Euro entstehen.
Bisher fließen in normalen Geschäftsjahren aber um die 20 Mio. Euro aus
den Gewinnen der DEW in die Kasse des RWE. Wir wären also in der Lage
über die bisherigen Gelder für RWE sowohl die 12 Mio. Zinsaufwand als
auch rund 8 Mio. Euro für die Tilgung zu finanzieren.
Natürlich halten wir auch die Einrichtung eines Bürgerfonds zum Erwerb von Anteilen für sinnvoll.
Um den Finanzierungsaufwand noch weiter zu reduzieren, möchten wir es
aber den Stadtwerken freistellen, einen Teil der Finanzierung über eine
Veräußerung von RWE-Aktien sicherzustellen. Der Aktienbestand muss dazu
nur zum Teil angegriffen werden. Und das sollten wir tun, bevor der Wert
dieser Aktien weiter ins Bodenlose fällt und sie am Ende der
RWE-Turbolenzen nur noch den Wert von bedrucktem Papier haben.
Das RWE in massiven Problemen ist, scheint nicht nur Grünen und Linken
aufgefallen zu sein, sondern auch der CDU. Wie Grüne und LINKE hat die
CDU in ihrem Antrag eine Change-of-Control-Klausel eingefügt, für den
Fall das RWE als möglicher Übernahmekandidat an den Börsen seine
Selbstständigkeit verliert. Gazprom und Katar werden seit 2011 als
Interessenten für eine solche feindliche Übernahme in den
Börsennachrichten gehandelt. Im Übrigen kann durchaus der Ausgang des
Syrienkrieges und den dortigen Erdgaspipelineplänen einen Einfluss
darauf haben, wer hier zuerst den finanziellen Angriff auf RWE wagt.
Diesem Aspekt des CDU-Antrages werden wir daher zustimmen. Zusätzlich
möchten wir ein jährliches Sonderkündigungsrecht aus wichtigem Grund
vorsehen.
Diese Art der Finanzierung über die Dividenden der
erworbenen Unternehmensanteile ist im Übrigen analog zur Finanzierung
beim Erwerb der STEAG. Auch dort werden der Kapitaldienst und die
Tilgung über die Dividendenausschüttung finanziert. Und was bei der
STEAG nicht nur von der LINKEN, sondern auch von SPD und CDU als seriöse
Finanzierung hier im Rat mit einer Mehrheit begrüßt wurde, dass ist
entsprechend auch bei DEW eine seriöse und machbare Finanzierung.
Gar kein Verständnis habe ich aber für die aktuellen Anträge die
Gesellschaftsstruktur von DEW gar nicht zu verändern und bei 47%
RWE-Anteil zu belassen und darüber hinaus den Gesellschaftsvertrag auch
noch zu entfristen. Dies ist schon eine sehr extreme RWE-Position, die
hier im Rat heute durchgesetzt werden soll. Da bin ich sehr auf den
Spruch des Bundeskartellamtes gespannt, denn die Entfristung stellt ja
kartellrechtlich eine deutliche Verschlechterung gegenüber dem aktuellem
Zustand dar. Bei der Entfristung der RWE-Beteiligung am kleinen
Stadtwerk in Ahaus wurde so ein Manöver vom Kartellamt als Fusion
bezeichnet, gleichwohl aufgrund der geringen Größe von Ahaus genehmigt.
Wir schlagen dagegen vor, falls Variante 2 keine Mehrheit findet erneut
eine Befristung vorzunehmen und in 10 Jahren die im Wandel befindliche
energiepolitische Landschaft und auch den dann aktuellen Zustand von RWE
erneut zu betrachten.
Wünschenswert wäre es dem Beschlusstext
der Verwaltungsvorlage noch einen weiteren Satz hinzuzufügen, der für
RWE in den Verhandlungen einen Unsicherheitsfaktor beinhaltet und von
Herrn Pehlke als Hebel zur Durchsetzung unserer sonstigen Wünsche
eingesetzt werden kann. Diesen finden sie unter Punkt 6 unseres
Antrages.
Zufrieden sind wir damit, dass die Zahlung einer
Mindestdividende von allen Ratsfraktionen ähnlich bewertet wird. Diesen
Punkt werden wir in allen Ratsanträgen annehmen.
Interessant
wiederum sind die Anträge zur Beschaffenheit eines künftigen
Aufsichtsrates der DEW. Wir möchten an dieser Stelle gerne die kommunale
Demokratie stärken. Das im Aufsichtsrat einer derart wichtigen
städtischen Beteiligung gerade einmal drei gewählte Ratsmitglieder
sitzen, ist nun wirklich ein Unding. Hier muss die Präsenz des Rates nun
wirklich deutlich gestärkt werden. Noch ein Wort zum SPD-Antrag: Vieles
was Sie jenseits der Beteiligungsverhältnisse aufgeschrieben haben,
sind Selbstverständlichkeiten, wie zum Beispiel die
Arbeitnehmermitbestimmung. Das werden wir natürlich mittragen.
Interessieren würde mich noch ihre Gegenfinanzierung für den Erwerb von
DEW-Anteilen aus dem städtischen Haushalt. Wir tragen das mit, aber wir
sollten dann den Kämmerer auch dazu beauftragen, nicht nur einen
Kaufpreis zu zahlen, sondern eine ähnliche Summe als Ausschüttung der
DSW wieder in den Haushalt zurück zu führen.
Meine Damen und
Herren, mit ihrem angekündigtem Abstimmungsverhalten zu den Varianten
der Verwaltungsvorlage, machen Sie es nun Herrn Pehlke leicht. Denn wenn
man mit der Position der Gegenseite in eine Verhandlung gehen muss,
erwartet niemand, dass man etwas erreichen kann. In diesem Sinne
wünschen wir den Verhandlungen dann auch ausdrücklich mal keinen Erfolg,
denn wenn die Verhandlungen scheitern, dann ist RWE automatisch
draußen.
Danke für die Aufmerksamkeit
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