Sollte die SPD nach dem Scheitern ihrer Wahlstrategie in die
große Koalition flüchten, steckt sie in einer Zwickmühle fest: Entweder sie versagt
dann, wie vor ihr die FDP, an der Unmöglichkeit, aus der Position der Schwäche
gegen die triumphierende Union ein eigenes Profil in der Koalition
durchzusetzen, und bekommt in vier Jahren die Quittung für ihr Versagen – oder
sie versucht sich à la Steinbrück als „bessere“ CDU der Wirtschaft anzubiedern,
und ihr laufen die letzten Sozialdemokraten in Scharen davon. So oder so würde
die große Koalition für die SPD zum Desaster. Vor dem könnte sie nur ein
entschieden linker Oppositionskurs gegen Merkel-Schäuble-Seehofer bewahren. Und
nur mit einem klaren linken Kurs bräuchte sie Merkels Erpressung mit Neuwahlen
nicht zu fürchten. Im Gegenteil würde auch jetzt noch eine in gleicher Richtung
vorgehende rot-rot-grüne Opposition die Kanzlerin sofort in allergrößte
Bedrängnis bringen, zumal beim rot-rot-grünen Übergewicht im Bundesrat. Fazit:
Für eine SPD, die als eigenständige Partei überleben will, statt sich selbst
zum Stallburschen in Merkels Diensten zu degradieren, führt auch jetzt kein Weg
an Rot-Rot-Grün vorbei.
Für die Grünen gilt sinngemäß dasselbe, sofern es ihnen
nicht genügt, das Erbe der FDP anzutreten.
Wie immer die SPD sich entscheidet, stehen der LINKEN vier
schwierige Jahre bevor. Schon diesmal verlor sie 310.000 Stimmen ins
Nichtwählerlager, aus Enttäuschung über die Ohnmacht der einsamen linken Opposition
gegen die informelle „Verantwortungskoalition“ aller anderen Parteien. Käme die
große Koalition nun formell ans Regieren, steht die LINKE weiterhin einsam auf
parlamentarischer Mahnwache für soziale Gerechtigkeit und hätte zu kämpfen,
dass enttäuschte Sozialdemokraten zu ihr finden, statt sich verbittert zurück
zu ziehen. Bleibt die SPD hingegen in der Opposition (gegen Schwarz-Grün),
könnte sie versuchen, der LINKEN das Wasser abzugraben mit linken Phrasen,
denen keine Taten folgen.
Im einen wie im anderen Fall aber hat die Wahl 2013 der
LINKEN bestätigt, wovon sie strategisch ausgehen muss:
- Die drittgrößte Kraft im Bundestag kann sich inzwischen
auch im westlichen Bundesgebiet auf eine eigene Fraktionsstärke stützen. Diese
Konsolidierung als gesamtdeutsche Partei verschleift die von Gregor Gysi beim Göttinger Parteitag noch
betonten Unterschiede zwischen „Volkspartei“ (-Ost) und „Protestpartei“ (-West).
Und nur eigene Dummheit könnte das Erreichte wieder gefährden, nämlich das
absurde Gegeneinander-ausspielen von Reform und Antikapitalismus und damit
begründete Machtrangeleien zwischen den Parteiflügeln.
- Noch so engagierte Wahlkämpfe können die massenhafte
Abkehr der Menschen vom abgehobenen parlamentarisch-bürokratischen
Politikbetrieb nicht stoppen. Zwar würde eine rot-rot-grüne Koordination für
soziale Forderungen sofort eine Aufbruchstimmung im ganzen Land erzeugen, aber
ohne diese kann ein Politikwechsel nach links nicht aus fleißiger, kompetenter
Parlamentsarbeit entstehen, sondern nur aus sozialen Bewegungen von unten. In
ihnen muss die LINKE sich nun weiter verankern, das muss in Stadt und Land
absoluten Vorrang bekommen (Stichwort „Bewegungspartei“).
- Unter allen größeren Parteien sticht die LINKE als einzige
hervor, die weit überproportional von Arbeitern und von Arbeitslosen gewählt
wurde: 13 % der Arbeiterwähler-innen gaben ihre Stimme der LINKEN, 23 % der
arbeitslosen Wähler-innen (gegenüber 8,6 % im bundesweiten Durchschnitt aller
Wähler-innen). Die SPD hingegen konnte ihr blamables Ergebnis (25,7 %) bei der
Arbeiterschaft nur unwesentlich übertreffen (um 1,5 %), bei den Arbeitslosen
überhaupt nicht. So gesehen ist die LINKE, ohnehin einzige parlamentarische Vertreterin
von Arbeitslosen und anderen sozial Benachteiligten, nun auch die einzige
verbliebene „Arbeiterpartei“ im deutschen Bundestag. (Wenn in absoluten Zahlen
noch 3,3 Millionen Arbeiter die Union wählten, 2,6 Millionen SPD und „nur“ 1,2
Millionen die LINKE, kamen nur 18 % aller CDU-Stimmen, 23 % aller SPD-Stimmen,
aber 32 % aller Stimmen für die LINKE von Arbeiter-innen.) Bei den Arbeitslosen
hat die LINKE die SPD fast eingeholt: 23 % zu 26 %. Nur bei den
Gewerkschaftsmitgliedern steht die SPD noch deutlich höher im Kurs als die
LINKE (35,9 % zu 11 %) – was diese anspornen muss, ihre Arbeit in den
Gewerkschaften zu verstärken!
- Der zentrale politische Konflikt zwischen Rechts und Links
wird in den nächsten Jahren die deutsche Europapolitik bleiben, mit allen
Folgen auch für die sozialen Verhältnisse und die Demokratie im Inneren. Die
LINKE wird weiterhin als einzige Bundestagsfraktion der Ruinierung Europas für
deutsche Banken und Konzerne Widerstand leisten. Erfolge kann sie dabei aber
nur erzielen, indem sie das wohlverstandene Interesse der Deutschen an einer
solidarischen und demokratischen europäischen Gemeinschaft fest verbindet mit
den Kämpfen der vom deutschen Kapital verarmten Völker.
- Dieser linke europäische Internationalismus, der das
Selbstbestimmungsrecht der Völker gegen deutsche Bevormundung verteidigt,
bildet zugleich den wirksamsten Schutz gegen den chauvinistischen Populismus
der AfD.