Montag, 7. Oktober 2013

Notizen zur linken Strategie nach der Bundestagswahl


Sollte die SPD nach dem Scheitern ihrer Wahlstrategie in die große Koalition flüchten, steckt sie in einer Zwickmühle fest: Entweder sie versagt dann, wie vor ihr die FDP, an der Unmöglichkeit, aus der Position der Schwäche gegen die triumphierende Union ein eigenes Profil in der Koalition durchzusetzen, und bekommt in vier Jahren die Quittung für ihr Versagen – oder sie versucht sich à la Steinbrück als „bessere“ CDU der Wirtschaft anzubiedern, und ihr laufen die letzten Sozialdemokraten in Scharen davon. So oder so würde die große Koalition für die SPD zum Desaster. Vor dem könnte sie nur ein entschieden linker Oppositionskurs gegen Merkel-Schäuble-Seehofer bewahren. Und nur mit einem klaren linken Kurs bräuchte sie Merkels Erpressung mit Neuwahlen nicht zu fürchten. Im Gegenteil würde auch jetzt noch eine in gleicher Richtung vorgehende rot-rot-grüne Opposition die Kanzlerin sofort in allergrößte Bedrängnis bringen, zumal beim rot-rot-grünen Übergewicht im Bundesrat. Fazit: Für eine SPD, die als eigenständige Partei überleben will, statt sich selbst zum Stallburschen in Merkels Diensten zu degradieren, führt auch jetzt kein Weg an Rot-Rot-Grün vorbei.

Für die Grünen gilt sinngemäß dasselbe, sofern es ihnen nicht genügt, das Erbe der FDP anzutreten.

Wie immer die SPD sich entscheidet, stehen der LINKEN vier schwierige Jahre bevor. Schon diesmal verlor sie 310.000 Stimmen ins Nichtwählerlager, aus Enttäuschung über die Ohnmacht der einsamen linken Opposition gegen die informelle „Verantwortungskoalition“ aller anderen Parteien. Käme die große Koalition nun formell ans Regieren, steht die LINKE weiterhin einsam auf parlamentarischer Mahnwache für soziale Gerechtigkeit und hätte zu kämpfen, dass enttäuschte Sozialdemokraten zu ihr finden, statt sich verbittert zurück zu ziehen. Bleibt die SPD hingegen in der Opposition (gegen Schwarz-Grün), könnte sie versuchen, der LINKEN das Wasser abzugraben mit linken Phrasen, denen keine Taten folgen.

Im einen wie im anderen Fall aber hat die Wahl 2013 der LINKEN bestätigt, wovon sie strategisch ausgehen muss:

- Die drittgrößte Kraft im Bundestag kann sich inzwischen auch im westlichen Bundesgebiet auf eine eigene Fraktionsstärke stützen. Diese Konsolidierung als gesamtdeutsche Partei verschleift die von Gregor Gysi beim Göttinger Parteitag noch betonten Unterschiede zwischen „Volkspartei“ (-Ost) und „Protestpartei“ (-West). Und nur eigene Dummheit könnte das Erreichte wieder gefährden, nämlich das absurde Gegeneinander-ausspielen von Reform und Antikapitalismus und damit begründete Machtrangeleien zwischen den Parteiflügeln.

- Noch so engagierte Wahlkämpfe können die massenhafte Abkehr der Menschen vom abgehobenen parlamentarisch-bürokratischen Politikbetrieb nicht stoppen. Zwar würde eine rot-rot-grüne Koordination für soziale Forderungen sofort eine Aufbruchstimmung im ganzen Land erzeugen, aber ohne diese kann ein Politikwechsel nach links nicht aus fleißiger, kompetenter Parlamentsarbeit entstehen, sondern nur aus sozialen Bewegungen von unten. In ihnen muss die LINKE sich nun weiter verankern, das muss in Stadt und Land absoluten Vorrang bekommen (Stichwort „Bewegungspartei“).

- Unter allen größeren Parteien sticht die LINKE als einzige hervor, die weit überproportional von Arbeitern und von Arbeitslosen gewählt wurde: 13 % der Arbeiterwähler-innen gaben ihre Stimme der LINKEN, 23 % der arbeitslosen Wähler-innen (gegenüber 8,6 % im bundesweiten Durchschnitt aller Wähler-innen). Die SPD hingegen konnte ihr blamables Ergebnis (25,7 %) bei der Arbeiterschaft nur unwesentlich übertreffen (um 1,5 %), bei den Arbeitslosen überhaupt nicht. So gesehen ist die LINKE, ohnehin einzige parlamentarische Vertreterin von Arbeitslosen und anderen sozial Benachteiligten, nun auch die einzige verbliebene „Arbeiterpartei“ im deutschen Bundestag. (Wenn in absoluten Zahlen noch 3,3 Millionen Arbeiter die Union wählten, 2,6 Millionen SPD und „nur“ 1,2 Millionen die LINKE, kamen nur 18 % aller CDU-Stimmen, 23 % aller SPD-Stimmen, aber 32 % aller Stimmen für die LINKE von Arbeiter-innen.) Bei den Arbeitslosen hat die LINKE die SPD fast eingeholt: 23 % zu 26 %. Nur bei den Gewerkschaftsmitgliedern steht die SPD noch deutlich höher im Kurs als die LINKE (35,9 % zu 11 %) – was diese anspornen muss, ihre Arbeit in den Gewerkschaften zu verstärken!

- Der zentrale politische Konflikt zwischen Rechts und Links wird in den nächsten Jahren die deutsche Europapolitik bleiben, mit allen Folgen auch für die sozialen Verhältnisse und die Demokratie im Inneren. Die LINKE wird weiterhin als einzige Bundestagsfraktion der Ruinierung Europas für deutsche Banken und Konzerne Widerstand leisten. Erfolge kann sie dabei aber nur erzielen, indem sie das wohlverstandene Interesse der Deutschen an einer solidarischen und demokratischen europäischen Gemeinschaft fest verbindet mit den Kämpfen der vom deutschen Kapital verarmten Völker.

- Dieser linke europäische Internationalismus, der das Selbstbestimmungsrecht der Völker gegen deutsche Bevormundung verteidigt, bildet zugleich den wirksamsten Schutz gegen den chauvinistischen Populismus der AfD.

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