Dass der multinationale Atom- und Kohle-Konzern RWE die Energiewende mit allen Mitteln hintertreibt, bis hin zu Schadenersatzklagen gegen die Bundesrepublik Deutschland um entgangene Gewinne, ist bekannt. Neu hingegen ist die Feststellung dreier unabhängiger Gutachter, wonach RWE auch vor Ort, als Anteilseigner der Dortmunder Energie- und Wasserversorgung (DEW21 GmbH, RWE-Anteil 47 %) die ökologische Wende ausbremst. (Das hatten wir LINKEN und das Bündnis "DEW kommunal" schon lange kritisiert, aber die RWE-Lobbyisten in SPD, Verdi und DEW-Betriebsrat immer abgestritten.) Anlass der Gutachten war die aktuell anstehende Entscheidung, ob der städtische Versorger nach 2014 weiter unter maßgeblichem Einfluß von RWE bleibt oder ganz ins Eigentum der Stadtwerke übergeht. (Dann läuft der Gesellschaftsvertrag mit RWE aus, und es müsste ein neuer geschlossen werden - oder eben nicht!)
An dieser Entscheidung dürfte OB Ullrich Sierau eigentlich nicht mitwirken. Denn als Mitglied des RWE-Aufsichtsrats ist er laut Aktiengesetz dem Unternehmenswohl verpflichtet, also in einem Interessenkonflikt befangen zwischen RWE und dem (gegensätzlichen) Interesse der Stadt Dortmund. Statt jedoch, wie der Regierungspräsident in einem Rechtshinweis vorgab, sich in den Beratungen des Stadtrats zurückzuhalten, greift Sierau massiv in die Debatte ein, und zwar zugunsten von RWE: Als im Anschluß an die Gutachten ein Vertreter der LINKEN im Rat auf massiven Personalabbau sowie aktuelle Ertrags- und Schuldenprobleme von RWE hinwies, stritt Sierau das alles rundweg ab und steigerte sich in persönliche Angriffe auf die "Glaubwürdigkeit" des LINKEN.
Dabei pfeifen es die Spatzen von den Dächern, auf welcher Seite die Wahrheit liegt: Bei RWE "...geht es nun darum, das Schrumpfen zu organisieren. Weltweit sollen 10.400 der rund 70.000 Arbeitsplätze wegfallen,“ schrieb die WAZ am 04.02.13.
„Als viel zu hoch hatte RWE-Chef Peter Terium die Verschuldung des Konzerns bezeichnet. Der Versorger bemüht sich um den Verkauf von Firmenteilen und will auch an Investitionen sparen.“ (WAZ vom 05.03.2013)
Der Aktienkurs von RWE fiel seit 2008 von knapp 100 € auf unter 30 €; allein seit September 2012 von 36 € auf 26 €; damit einher ging der Verfall der Dividende von 4,50 € auf 2 €. Damit verfiel der Wert des Dortmunder Bestands an RWE-Aktien in fünf Jahren von ca. 2 Mrd.€ auf unter 600 Mio.€, Dortmunds Dividendeneinnahmen darauf halbierten sich von 90 auf 45 Mio.€ im Jahr.
RWE-Quartalsbericht für das 1. Quartal 2013: Der Gewinn vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen (EBITDA) geht gegenüber dem Vorjahr zurück, das nachhaltige Nettoergebnis sank schon 2012, „Einbußen in der konventionellen Stromerzeugung werden das gesamte Geschäftsjahr 2013 prägen.“ Und im Geschäftsbericht 2012 heißt es: „Nach 2013 wird es kaum möglich sein, das Ergebnisniveau zu halten.“
Da drängt sich die Frage auf, wielange Sierau und die Dortmunder SPD noch Orchester auf der Titanic spielen wollen.
Das trifft auch andere Dortmunder SPD-Größen. Ihr Fraktionsvorsitzender im Stadtrat Ernst Prüsse sitzt ebenfalls in Aufsichtsräten des RWE-Konzerns, scheut sich aber nicht, laut für die Weiterbeteiligung von RWE an DEW21 zu trommeln, und verstößt damit ebenso gegen seine Pflichten als Stadtrat. Prüsse erklärte, er fühle sich „als gewähltes Ratsmitglied“ nicht an das Votum seines Parteivorstands gebunden. Dieser hatte verlangt, die Ergebnisse der Gutachten öffentlich zu machen. Und in einem früheren Beschluß hatte der SPD-Unterbezirk die vollständige Rekommunalisierung der DEW befürwortet. Als langjähriger Mitarbeiter der VEW, die 1999 von RWE geschluckt wurde, lebt Prüsse seit 2000 im von RWE versüßten Vorruhestand. Der SPD-Unterbezirksvorsitzende Franz-Josef Drabig, den 1999 auf dem Weg an die Stadtspitze eine dubiose Rotlichtaffäre stoppte, wurde mit einem Job als Leitender Angestellter einer RWE-Tochter in Dortmund "entschädigt".
Zur RWE-Lobby gehören auch Dortmunder CDU-Größen: Ulrich Monegel, Chef der CDU-Ratsfraktion, erbte von seinem Vorgänger Hengstenberg ein Aufsichtsratsmandat der KEB Holding und und bezieht zudem ein nettes Taschengeld vom Aufsichtsrat der RWE Effizienz GmbH. Auch in den Tochtergesellschaften von RWE sind Aufsichtsratsvergütungen von 50 bis 100.000 Euro üblich.
Das ganze läuft weiter hinter verschlossenen Türen ab. Die Nachfrage des Arnsberger Regierungspräsidenten, warum bei so einer wichtigen Entscheidung für das Wohl der Stadt die Bürger nicht informiert werden und nicht mitreden dürfen, war angeblich bei der Dortmunder Stadtverwaltung "nicht angekommen". (Hat die Brieftaube sich verflogen?) Daraufhin setzte der Regierungspräsident der Stadt eine neue Erklärungsfrist bis Ende Juni. Solange die noch läuft, kann die RWE-Lobby ihre Hinterzimmerkungelei in aller Seelenruhe fortsetzen.
Mittwoch, 26. Juni 2013
Freitag, 21. Juni 2013
Notizen aus der Provinzhauptstadt: Dortmunder Energie- und Wasserversorgung (DEW21) …gehört in Dortmunder Hände
Die wichtigsten Ergebnisse der vier Gutachten
Am 20.06.2013 stellten
Gutachter dem „Sonder“-Ältestenrat des Stadtrats in vier getrennten Expertisen
mögliche Varianten zur Zukunft der DEW vor. Zentrale Frage: Kann es gelingen,
nach dem Ende des jetzigen Gesellschaftsvertrags der DEW (Ende 2014) den Atom-
und Braunkohle-Multi RWE als Miteigentümer (47 %) los zu werden?
Zwei der vier Gutachter
verfolgten offenbar das Ziel, die Ablösesumme für RWE in unbezahlbare Höhen zu
treiben. Diese Zahlen gab dann auch die Presse weiter („880 Millionen €“ bis „knapp
eine Milliarde“, RN 21.06.2013).
Die beiden anderen Gutachter
kamen zu ganz anderen Ergebnissen. Einer wies die Behauptung, eine vollständige
Übernahme der DEW durch die Stadt sei nicht finanzierbar, klipp und klar
zurück: „Das halten wir nicht für
richtig, das hängt von der Berechnung (des Unternehmenswerts) ab.“ Und er
wies nach, dass dieser Wert im ersten Hauptgutachten um 200 Millionen € zu hoch
angesetzt sei. Realistisch gerechnet käme der Kaufpreis für den RWE-Anteil dann
auf rund 300 Millionen €.
Das zweite Hauptgutachten
verglich mehrere Varianten mit und ohne RWE-Beteiligung, darunter auch die
vollständige Übernahme der DEW durch die Dortmunder Stadtwerke. Aber die
Vergleichsmaßstäbe waren schon vorher im Auftrag der Stadt auf den rein
betriebswirtschaftlichen und marktstrategischen Blickwinkel des Unternehmens
eingeengt, übergreifende ökologische, gesellschaftspolitische und soziale
Erfordernisse von vorn herein ausgeschlossen worden. – So borniert geht unsere
Stadtspitze die Energiewende an!
Trotzdem kam auf Nachfragen
an diesen Gutachter heraus: Selbst wenn der bloße Eigentumsübergang auf die
Stadtwerke betriebswirtschaftlich und marktstrategisch wenig bringt, kann er
doch der erste notwendige Schritt werden, um DEW in Zukunft breiter
aufzustellen, bis hin zu echter Bürgerbeteiligung!
Davon wollte ausgerechnet
SPD-Fraktionschef Prüsse nichts wissen. Er stritt unbelehrbar weiter für die
RWE-Beteiligung. Und OB Sierau verteidigte ihn dabei heftig (und unsachlich).
Kein Wunder: Beide sind befangen, sie sitzen in Aufsichtsräten bei RWE.
Montag, 17. Juni 2013
Notizen aus der Provinzhauptstadt: Beschäftigungsprojekte zwischen Ausbeutung und Selbstbestimmung – ist das Glas halb voll oder halb leer?
Neue Arbeit, sozial notwendig, ökologisch verträglich, staatlich finanziert – anders als die Bundes-LINKE findet in ihrem NRW-Landesverband öffentliche Beschäftigungsförderung noch keine Mehrheit. – Nun richtet sich das Leben nicht unbedingt nach Parteitagsbeschlüssen. Jetzt brachte eine Untersuchung im Auftrag der Dortmunder LINKEN Ratsfraktion ans Licht, was Insider schon lange wissen, aber die veröffentlichte Meinung gern unterschlägt: die erstaunliche Breite und Vielfalt des öffentlich geförderten „zweiten Arbeitsmarktes“ (ÖBS) und seine unentbehrlichen Beiträge zum sozialen und kulturellen Leben der Menschen in der Stadt.
Bei der öffentlichen Präsentation des Untersuchungsberichts
an einem „Roten Freitag“ des Dortmunder Kreisverbands prallten Für und Wider
öffentlicher Beschäftigungsförderung energiereich aufeinander. Einigkeit
herrschte darüber, dass vom gewinnorientierten „ersten“ Arbeitsmarkt keine
Vollbeschäftigung mehr zu erhoffen ist. Einig war man sich auch in der Kritik
an der völlig unzulänglichen Finanzausstattung der sozialgewerblichen
Einrichtungen, die viele Projekte zwingt, ihre Beschäftigten ebenso schlecht
oder noch schlechter zu stellen als gewerbliche Unternehmen auf dem freien
Markt.
Doch damit endeten die Gemeinsamkeiten. Die Diskussion, welche
Schlüsse linke Politik daraus zu ziehen hätte, lief nach dem bekannten Schema
ab, ob das Glas halb leer oder halb voll ist. Die Gegner des ÖBS-Konzepts
verharrten in Anklagen, die großen Wohlfahrtsverbände (AWO, Parität usw.), die
massenhaft Ehrenämter und 1-€-Jobs einsetzen, häufig unter Tarif zahlen usw., seien
zum Teil noch schlimmer als privatkapitalistische Arbeitgeber; solange nicht
die staatlichen Steuer- und Finanzsysteme von den Kommunen bis hinauf zur EU
grundlegend umgebaut würden, blieben die Wohlfahrtsverbände Vollstrecker des
Hartz-IV-Regimes und seien ihre ausbeuterischen Praktiken nicht veränderbar.
Andere Hebel wie eine gerechtere Verteilung der Arbeit – Arbeitszeitverkürzung
– der Öffentliche Dienst oder die Abkoppelung eines allgemeinen „Existenzgelds“
von der Arbeit – Bedingungsloses Grundeinkommen – seien bessere Alternativen
zum ÖBS.
Die Befürworter betonten, vom kapitalistischen Markt werde
die soziale Versorgung der Bevölkerung entweder gar nicht oder schlechter gewährleistet
als von gemeinnützigen Einrichtungen; Selbsthilfe, Nachbarschaftshilfe sei auch nicht in staatlich-städtischer Bürokratie
besser aufgehoben als in der Verantwortung der Bürger selbst; in sozialen und
kulturellen Initiativen seien „Ansätze für ein neues selbstbestimmtes,
demokratisch(er) organisiertes und aufs Gemeinwohl ausgerichtetes Arbeiten
heute schon erkennbar.“ Die Bürger darin zu unterstützen, sei als ein
Bestandteil linker Politik durch nichts anderes zu ersetzen.
Eine Einigung kam nicht zustande. Mir bestätigte dieser Streit,
warum die Linken so zersplittert sind: Manche verstehen nicht, den Zorn auf die
Zustände mit sozialer Phantasie in Schritte zur Veränderung des Alltagslebens
zu übersetzen. Ihr Fahrrad hat nur einen Gang: Fundamentalopposition. Deshalb
erklären sie jeden kleineren Gang für Verrat an der Höchstgeschwindigkeit, und
statt am Berg herunterzuschalten, steigen sie lieber ab. Aber auch ein dogmatisches
Gegeneinander-ausspielen einzelner Teilreformen – Arbeitszeitverkürzung, Grundeinkommen,
Verstaatlichung gegen den ÖBS – zersplittert die Kräfte.
Dienstag, 4. Juni 2013
Notizen aus der Provinzhauptstadt: Märchen haben kurze Beine in Dortmund. Wie ein "Masterplan" die Wissenschaft verballhornt
Stolz spreizt er sich unter dem Beifallsgemurmel der Bürger. Einzelne spitze Begeisterungsschreie spornen ihn zu neckischen Bocksprüngen an. Schon wieder hat er sich einen neuen Anzug maßschneidern lassen.
Ihr ratet, von wem die Rede ist? Vom
Kaiser, von dem uns Hans Christian Andersen in einem seiner schönsten Märchen
erzählt hat. Dieser Kaiser stolziert nun schon an die fünfzehn Jahre lang vor
dem Dortmunder Rathaus auf und ab. Jahr für Jahr in einem wieder ganz neuen
„Strukturwandel“-Anzug, mal aus dem Modehaus McKinsey, dann wieder von einem
international erstklassigen Projektentwickler oder aus der kaiserlichen Hofschneiderei
Assmann und Gerber. Und ehe das Jahr um ist, ruft wieder so eine Nordstadtgöre:
„Der hat ja gar nichts an!“ – und die Suche muss von neuem losgehen.
Nach dem „Dortmund-Project“,
der „Sozialen Stadt“, der „Westfalenmetropole“, „Kulturhauptstadt“, „Parkstadt
Dortmund“, einem halben Dutzend „Masterplänen“ heißt die neue Kreation seiner
Schneider jetzt: „Dortmund wird Wissenschaftsstadt.“ Natürlich wieder im
„Wettbewerb der Wissenschaftsstandorte“ mit allen bekannten Stätten des
Geisteslebens in Deutschland. Und weil unter den Leuchttürmen der Wissenschaft
bisher Dortmund kein großes Licht war, sucht man wieder nach
„Alleinstellungsmerkmalen“. Und sucht erst einmal fünf Jahre lang den eigenen
Dachboden ab. Richtig, da finden sich alle die Laternen wieder, die man in 15
Jahren „Strukturwandel“ immer so liebevoll geputzt hat: Logistik, Informationstechnik
(im Gesundheitswesen), Produktionstechnik, Biomedizin, Schulforschung, Energie (da
wäre zu erforschen, wie RWE die Energiewende verhindert), Versicherungswirtschaft
und Risikomanagement (!) sowie als Feigenblatt: „soziale Nachhaltigkeit“ (welche
Anmaßung!)
Daß es auf allen diesen Gebieten noch einiges zu forschen und zu entwickeln gibt, steht außer Zweifel. Dabei übersehen die Dortmunder Laternenputzer allerdings das Wesentliche: Was den weltberühmten deutschen Wissenschaftsstädten ihre Strahlkraft verleiht, sind wahre Leuchtfeuer der Geisteswissenschaften und der naturwissenschaftlichen Grundlagenforschung. Und die anwendungsnahe Technologieforschung findet heute in monopolistischen Riesenunternehmen als europaweite oder schon weltweite Großforschung statt, im Auftrag des Großkapitals organisiert von Ministerien und bundesweiten Netzwerken (Max-Planck-, Leibniz-, Helmholtz-Gesellschaft, Stifterverband der deutschen Wirtschaft usw.). Zwar erklärt der Dortmunder Masterplan ausdrücklich die Auftragsforschung im Interesse der heimischen Wirtschaft zu seinem Ziel – und degradiert damit Wissenschaft zu einer Unterabteilung der Wirtschaftsförderung! – Aber wo nach dem Zechensterben und Ausblasen der Hochöfen nur Mittelstand übrig blieb, kann Auftragsforschung nicht mehr als mit der Taschenlampe unters Sofa leuchten. Das ändern weder Profilneurosen noch Wettbewerbsphantasien von Provinzfürsten.
Es ist ja zu begrüßen, wenn die Stadt die
45.000 Studierenden und 7.000 Uni-Beschäftigten mit mehr bezahlbarem Wohnraum,
mehr Kitaplätzen und besseren Verkehrsverbindungen versorgen will. Doch das nun
gleich zu einem „Masterplan Wissenschaft“ aufzublasen, lässt sich nur aus dem
Dilemma erklären, dass die Stadtspitzen vor der Kommunalwahl 2014 von der
tatsächlichen, sich verschärfenden Not in vielen Stadtteilen ablenken wollen. Nachdem
sie die Mittel zu aktiver Sozialpolitik sich haben entziehen lassen, zaubern
sie bloß noch Marketing-Gags aus dem Hut.
Zugleich enthüllt dies Beispiel erneut, was
hinter den Sprüchen vom „Strukturwandel“ eigentlich steckt: wie die „oberen
Zehntausend“ soziale Stadtentwicklung durch Klientelpolitik für Ihresgleichen ersetzen.
Darin haben sie Dortmund zum Vorreiter gemacht, und dieser „Masterplan“ soll das
fortsetzen. Wenngleich heute schon zu erkennen ist, dass nach der Wahl der
Kaiser von Dortmund wieder nackt dasteht.
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