Donnerstag, 12. Juni 2014

Notizen aus der Provinzhauptstadt: Verbündete willkommen!


Seit Karl Marx und Friedrich Engels 1848 im Kommunistischen Manifest erklärten: "Die Kommunisten arbeiten überall an der Verbindung und Verständigung der demokratischen Parteien aller Länder," seither ist dies einer der wichtigsten Grundsätze linker Strategie. (Und immer wenn sozialistische oder kommunistische Parteien diesen Grundsatz missachteten, erlitt die Bewegung für den Sozialismus historisch schwere Niederlagen.) Zu ihm bekennt sich auch DIE LINKE in ihrem Parteiprogramm:
"Wir wissen, dass wir unsere Vorstellungen von einer besseren Gesellschaft weder allein noch gegen gesellschaftliche Mehrheiten umsetzen können.(...) Wir wollen ein Bündnis von Gewerkschaften, globalisierungskritischen und gesellschaftskritischen Initiativen, sozialen Bewegungen, progressiven Menschen aus Wissenschaft und Kultur und der parteipolitischen Linken entwickeln. Wir unterstützen Zusammenschlüsse gegen Neofaschismus, Rassismus, Antisemitismus und Islamfeindlichkeit und wollen mit allen zusammenwirken, die sich für soziale Gerechtigkeit, für bessere Bildung, Emanzipation und mehr Demokratie, Frieden und für den Erhalt der Natur einsetzen."
Und im Wahlprogramm 2014 der Dortmunder LINKEN:
"Gerade in Dortmund wird nur etwas zu erreichen sein, wenn es genügend öffentlichen Druck gibt. Daher ist der LINKEN die Zusammenarbeit mit den sozialen Bewegungen, mit Bürgerinitiativen, Erwerbsloseninitiativen, Gewerkschaften, Elterninitiativen, Umweltgruppen, Friedensinitiativen und anderen Gruppen der bürgerschaftlichen Selbstorganisation besonders wichtig."
Soweit unsere Tätigkeit in Parlamenten und Stadträten -auch- dazu dient, "all denen eine Stimme zu geben..." (Wahlprogramm), werden wir dies umso stärker können, wenn wir den Grundsatz der "Verbindung und Verständigung" auch dort anwenden.
Soviel zum Grundsätzlichen. Allerdings erwiesen sich die Grenzen der inhaltlichen Gemeinsamkeit mit den anderen Parteien im Dortmunder Stadtrat immer wieder als so eng, dass es bisher immer nur zu punktueller Zusammenarbeit in einzelnen Fragen kam und alles andere Verrat an unserem Wählerauftrag gewesen wäre.
Mit dem Wahlerfolg der Piraten, die bei der Kommunalwahl in Dortmund am 25.Mai zwei Ratsmandate und je einen Sitz in sechs der zwölf Bezirksvertretungen erhielten, hat sich diese Situation jetzt entscheidend verändert.Seit Anfang Mai, als sich dieser Wahlerfolg abzeichnete, hat der LINKE Dortmunder Kreisverband -Kreisvorstand, Ratsfraktion und zwei Mitgliederversammlungen- kontrovers und zum Teil hitzig darüber gestritten, ob wir mit den Piraten Fraktionsgemeinschaft(en) eingehen sollen-müssen-dürfen. Diese selbst zeigten starkes Interesse, da sie mit zwei Ratsmitgliedern keine eigene Fraktion bilden konnten und die LINKE als einzige Partei im Rat ihnen auch inhaltlich akzeptabel erscheint.
Doch in unserem Kreisverband gab es einigen heftigen Gegenwind. Der machte sich aber bezeichnenderweise überhaupt nicht an Inhalten fest - nicht zuletzt weil die Dortmunder Piraten zu vielen kommunalpolitischen Themen einfach noch keine Position bezogen haben. Der durchgängige Tenor der Ablehnung war denn auch, die Piraten hätten inhaltlich noch so wenig zu bieten, dass sie nicht berechenbar seien. Dahinter schimmerte bei einigen die Befürchtung durch, die Piraten seien nicht "links" genug - ein absurdes Argument im Verhältnis zum eingangs zitierten Gundsatz linker Bündnispolitik!
Den Einwand der Unberechenbarkeit der Piraten entkräfteten die Befürworter der Fraktionsgemeinschaft mit einer schriftlichen Vereinbarung, die alle bis dato bekannten Differenzen eindeutig klärt und zwar so, dass wir damit zufrieden sein können, und darüber hinaus schreibt sie fest:
"Inhaltliche Grundlage der Arbeit in einer gemeinsamen Fraktion sind die Kommunalwahlprogramme und Positionspapiere der beiden Parteien. Angesichts des ungleichen Umfanges der Wahlprogramme gelten dort, wo eine Partei keine Position entwickelt hat, die Positionen der jeweils anderen Partei."
Natürlich haben wir keine Gewähr, dass eine Fraktionsgemeinschaft auf dieser Grundlage sechs Jahre lang hält. Wenn ja, gewinnen beide Seiten an Stärke - das müßte eigentlich auch denen einleuchten, die sich bei uns Sorgen machten, die Piraten könnten aus der gemeinsamen Arbeit mehr Nutzen ziehen als die LINKE. Das hätten wir dann aber eigener Dummheit zuzuschreiben - abgesehen davon, dass dies "Argument" mehr nach marktwirtschaftlichem Konkurrenzdenken riecht als nach linker Solidarität!
Zuguterletzt gab unsere Mitgliederversammlung mit 55:43 Prozent bei einer Enthaltung grünes Licht für die Fraktionsgemeinschaft. Die wurde dann am 10.06.2014 konstituiert. Mein Bauchgefühl sagt: Es wird funktionieren.