Mittwoch, 8. Oktober 2014

TTIP – der letzte Sargnagel für die Selbstverwaltung. Beispiel Dortmund


Ein Vortrag für die Ratsfraktion DIELINKE & Piraten mit ATTAC und Gewerkschaft VERDI, 1.Teil

Was weder schwarz-gelbe Bundes- und Landesregierungen noch schwarz-rote und rot-grüne bis heute schafften, das würden die EU-Kommission und der US-Handelsminister mit ihrem Freihandelsabkommen „TTIP“ schaffen – wenn sie nicht von unten gestoppt werden: die Selbstverwaltung der Kommunen vollends abwürgen, diesen Eckpfeiler unserer Demokratie niederreißen.
Für unsere föderale Verfassung ist ja wesentlich, dass sie den Bürgern auf der untersten staatlichen Ebene, in der Kommune relativ weite Regelungsrechte einräumt. Und das Standbein dieser kommunalen Selbstverwaltung ist die im Grundgesetz verankerte Finanz- oder Budgethoheit, nach der Städte und Gemeinden selbst bestimmen können, welche öffentlichen Güter sie, über die gesetzlich vorgegebenen Mindeststandards der Daseinsvorsorge hinaus – sich leisten wollen.
Dass TTIP, sollte es nicht verhindert werden, und CETA, das soeben ausgehandelte Abkommen mit Kanada – radikal Schluß machen würden mit unserer kommunalen Budgethoheit, will ich an konkreten Beispielen aus Dortmund zeigen.

Wie die folgenden Beispiele alle belegen, erkennen die Freihandelsideologen die flächendeckende Versorgung der Bevölkerung mit lebensnotwendigen Gütern wie Trinkwasser, Gesundheitsdienste, öffentliche Verkehrsmittel, Bildungseinrichtungen usw. überhaupt nicht als besondere, staatlich zu leistende Aufgabe an, sondern erklären sämtliche öffentlichen Dienstleistungen zu „Märkten“ wie alle privaten Waren- und Dienstleistungsmärkte. Und sie wollen uns vorschreiben, dass die staatlichen und kommunalen Verwaltungen private Kapitalanleger, auch solche aus dem Ausland, gleich behandeln müssen wie öffentliche Versorgungsbetriebe, den Privaten Zugang zu jedem öffentlichen Dienstleistungssektor gewähren und alles unterlassen sollen, was deren Gewinnerwartung beeinträchtigt.

Dabei geht es den privaten Investoren nicht um „Peanuts“, sondern um erhebliche Summen. Eine Großstadt wie Dortmund mit ihren 572.000 Einwohnern wälzt im Jahr ein Haushaltsvolumen von knapp 2 Mrd € um. Daran zu kommen, wäre auch für US-Konzerne ein leckeres Schnäppchen.

Erstes Beispiel: Gleichbehandlung bei öffentlichen Aufträgen
Etwa ein Viertel des städtischen Jahreshaushalts, also knapp 500 Mio € gibt die Stadtverwaltung für Sach- und Dienstleistungen aus, die sie von außen zukaufen muss.
Im gesamten Bundesgebiet sind dies rund 500 Mrd €, eine halbe Billion.

Nun haben wir in NRW seit 2012 endlich ein Tariftreue- und Vergabegesetz (TVG) erreicht.
Ich sage „wir“, weil daran die damalige LINKE Landtagsfraktion einen nicht unbedeutenden Anteil hatte. Leider haben die Wähler-innen das bei der nächsten Landtagswahl vergessen oder gering geschätzt, wie dem auch sei…
Dies nützliche Gesetz erlaubt den Kommunen, öffentliche Aufträge nicht nur an den jeweils preisgünstigsten Anbieter zu vergeben, sondern in die Ausschreibungen auch soziale und ökologische Bewertungskriterien aufzunehmen, wie etwa die Verpflichtung des Anbieters, seine Arbeitskräfte nach den geltenden Tarifverträgen zu bezahlen und nicht unter dem Mindestlohn von 8,62 €/h, die Mindestarbeitsnormen nach ILO einzuhalten, das Verbot von Kinderarbeit zu befolgen, auf Umweltschutz und Energieeffizienz zu achten, das alles auch von seinen Subunternehmern zu verlangen u.ä. Ja, es gelingt auch schon mal, mit dem TVG einheimische oder regionale Lieferanten einem weit entfernten Großkonzern vorzuziehen.

Das alles passt US-Konzernen bekanntlich gar nicht in den Kram, ebenso wenig wie kanadischen. So steht zu befürchten, dass sie mit CETA und dann mit TTIP als Knüppel die Stadt Dortmund zwingen, bei künftigen Aufträgen, die ab niedrigen Schwellenwerten von 175.000 € (Bauaufträge ab 4,4 Mio €) dann auch in USA und Kanada ausgeschrieben werden müssen, auf solche sozialen und ökologischen Vergabemaßstäbe zu verzichten. Mit der Bevorzugung der heimischen Wirtschaft ist es dann auch vorbei.

Aber es kommt noch dicker. In diesem TVG steht auch der Satz: „Der Mindestlohn kann durch Rechtsverordnung des Arbeitsministers angepasst werden.“ Nun stellt euch vor, ein Baukonzern aus USA oder Kanada hat in Dortmund einen städtischen Großauftrag an Land gezogen mit der Zusicherung, dass er deutsche Tariflöhne und 8,62 €/h Mindestlohn zahlt – und kurz darauf erhöht der NRW-Arbeitsminister den Mindestlohn auf 10 €/h, oder die Tarifparteien vereinbaren höhere Tariflöhne. Dann kann dieser Baukonzern die Landesregierung aufgrund TTIP oder CETA vor einem privaten Schiedsgericht verklagen auf Schadenersatz für entgangenen Gewinn. Die wird eventuell sogar freiwillig zahlen, was er verlangt, weil das private Schiedsverfahren sie mehr kosten würde als die Lohndifferenz bei dem Großauftrag. Denn die Anwälte dieser Schiedsgerichte kassieren Millionenhonorare. Und sie hätte dann wohl nichts eiligeres zu tun, als das schöne TVG wieder zu kippen.

Vielleicht würde der Investor aber auch die Stadt Dortmund verklagen. So oder so wären die sozialen und ökologischen Vergabekriterien in Dortmund und allen Städten des Landes vorbei.

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