Ein Vortrag für die Ratsfraktion DIELINKE & Piraten mit ATTAC und Gewerkschaft VERDI - Teil 2
Was
weder schwarz-gelbe Bundes- und Landesregierungen noch schwarz-rote und
rot-grüne bis heute schafften, das würden die EU-Kommission und der
US-Handelsminister mit ihrem Freihandelsabkommen „TTIP“ schaffen – wenn sie
nicht von unten gestoppt werden: die Selbstverwaltung der Kommunen
vollends abwürgen, diesen Eckpfeiler unserer Demokratie niederreißen.
Für
unsere föderale Verfassung ist ja wesentlich, dass sie den Bürgern auf der
untersten staatlichen Ebene, in der Kommune relativ weite Regelungsrechte
einräumt. Und das Standbein dieser kommunalen Selbstverwaltung ist die im
Grundgesetz verankerte Finanz- oder Budgethoheit, nach der Städte und
Gemeinden selbst bestimmen können, welche öffentlichen Güter sie, über die
gesetzlich vorgegebenen Mindeststandards der Daseinsvorsorge hinaus – sich leisten
wollen.
Dass
TTIP, sollte es nicht verhindert werden, und CETA, das soeben ausgehandelte
Abkommen mit Kanada – radikal Schluß machen würden mit unserer kommunalen
Budgethoheit, will ich an konkreten Beispielen aus Dortmund
zeigen.
Beispiele für
Privatisierungsstrategien
Ein
schlagendes Beispiel für die Gleichbehandlung öffentlicher und privater
Unternehmen nach TTIP bietet das städtische Klinikum Dortmund.
Seit
der Jahrtausendwende erlebten wir ein heftiges Gezerre um die Privatisierung
des größten kommunalen Krankenhauses in NRW. CDU und Liberale waren immer
heftig dafür, die LINKE und VERDI immer dagegen, die Dortmunder SPD eierte
immer herum und ließ sich 2001 von ihrem Star OB Langemeyer die Umwandlung des
bis dahin städtischen Eigenbetriebs in eine privatrechtliche, aber immerhin
noch gemeinnützige gGmbH abschwatzen.
Danach fuhr das Klinikum, teils infolge der katastrophalen Unterfinanzierung des
Gesundheitswesens durch Land und Bund, teils auch infolge interner Managementfehler,
von Jahr zu Jahr steigende Defizite ein. Immer wieder musste die Eigentümerin
Stadt DO Finanzlöcher des Klinikums stopfen. So konnte 2008 die akute
Zahlungsunfähigkeit nur mit einem Gesellschafterdarlehen über 20 Mio €
abgewendet werden, von 2010 bis Ende 2012 wurden Investitionszuschüsse über 31 Mio
€ nötig, jährlich rund 10 Mio € für Zinsen und Tilgung der
Investitionskredite des Klinikums.
Nun
stellt euch folgendes Szenario vor. Unter dem Vorwand „Schutz des geistigen Eigentums“
soll TTIP den Patentschutz für Medikamente der Pharmakonzerne
verlängern und sogar auf Behandlungsmethoden erweitern. Das
wird die Krankenhäuser in ganz Europa viele Mrd € mehr kosten und auch die
Dortmunder Krankenhäuser noch tiefer in die Schulden treiben. Infolgedessen
muss in wenigen Jahren, so das Szenario weiter, die Ev. Stiftung Vollmarstein auch das Krankenhaus Bethanien
aufgeben (so wie jetzt gerade Lütgendortmund). Da kauft sich dann ein US-Investor
ein. Um aggressiv in den hiesigen Gesundheitsmarkt vorzudringen, wird er dem
städtischen Klinikum Patienten abziehen wollen, und zwar die lukrativsten Fälle
mit den hohen Fallpauschalen. Zu diesem Zweck investiert er einige Hundert Mio
€ ins Bethanien – und verlangt auf Grund TTIP von der Stadt, sie solle auch
ihm die Zinsen und Tilgung seiner Investitionskredite zuschießen, genau
wie ihrem eigenen Klinikum.
Und
sollte die Stadt sich weigern, zerrt auch er sie vor so ein privates
Schiedsgericht, und dies verurteilt die Stadt Dortmund dazu, einem
fremden Gesundheitskonzern zu helfen, ihr eigenes Klinikum in den Ruin zu
treiben. Dann wird sie es eher verkaufen. Die Privatisierer haben ihr Ziel
erreicht.
Dasselbe
Rezept hält TTIP für die Kultur bereit. Angeblich soll TTIP
sich gar nicht auf die Kultur erstrecken. Aber das stimmt so nicht.
Ausdrücklich ausgeklammert aus den Verhandlungen sind bisher nur auf französisches
Drängen audiovisuelle Dienstleistungen (Film, Fernsehen, Audio- und
Videoproduktionen u.ä.) – alles andere, was nicht ausdrücklich auf einer Negativliste
steht, fällt TTIP zum Opfer.
Die
Stadt Dortmund schüttet jährlich ca. 80 Mio € für Kulturförderung aus, als Zuschüsse
an Theater, das Konzerthaus, den U-Turm, Museen, Bibliotheken, die VHS
usw. Den größten Brocken bekommt der städtische Eigenbetrieb Theater Dortmund
mit über 30 Mio €.
TTIP
unterscheidet nicht zwischen seriöser Hochkultur und seichter Meterware der Unterhaltungsindustrie.
Da könnte jeder Broadway-Entertainer herkommen und in Dortmund eine
Musicalbühne oder eine neue Eventhalle aufziehen und nach TTIP von der Stadt
dieselben Zuschüsse verlangen wie die städtische Oper. Und wenn die Stadt das
im Haushalt nicht locker machen kann oder will, wird sie ihr Opernhaus schließen oder
privatisieren müssen.
Zum
Stichwort „Privatisierung“ erwartet uns noch eine größere Sauerei. In CETA
wurden sog. Lock-in- und Ratchet-Klauseln vereinbart, und in TTIP sollen
sie wieder auftauchen. Sie bestimmen, dass einmal vollzogene Liberalisierungen
und Privatisierungen nie mehr rückgängig gemacht werden
dürfen. „Nie mehr“ – man denke mal über diese Hybris nach: Da meinen
diese Neoliberalen wirklich, ihre Marktwirtschaft existiere bis zum jüngsten
Tag! Sie glauben buchstäblich, der Kapitalismus sei das „Ende der Geschichte“.
Von der historischen Albernheit dieses Aberglaubens abgesehen, hätten solche Klauseln aber für uns in Dortmund sofort
gravierende Folgen: In wenigen Wochen steht uns ein irrsinniger Beschluß einer konzerneigenen Ratsmehrheit ins Haus, den Multi
RWE
weiter an unserer kommunalen Energie- und Wasserversorgung zu
beteiligen und ihm Jahr für Jahr um die 20 Mio € Dividende zu Lasten der Stadt rüber zu schieben.
Dieser heute schon anachronistische Ratsbeschluß dürfte dann in alle
Ewigkeit nicht mehr zurückgedreht werden – ja nicht mal mehr verändert werden,
ohne dass die Stadt den RWE-Multi bis in alle Ewigkeit für die entgangenen
Gewinne entschädigen müsste.
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