Sonntag, 12. Oktober 2014

TTIP – der letzte Sargnagel für die Selbstverwaltung. Beispiel Dortmund


Ein Vortrag für die Ratsfraktion DIELINKE & Piraten mit ATTAC und Gewerkschaft VERDI – 3. Teil und Schluss

Für unsere föderale Verfassung ist ja wesentlich, dass sie den Bürgern auf der untersten staatlichen Ebene, in der Kommune, relativ weite Regelungsrechte einräumt. Und das Standbein dieser kommunalen Selbstverwaltung ist die im Grundgesetz verankerte Finanz- oder Budgethoheit, nach der Städte und Gemeinden selbst bestimmen können, welche öffentlichen Güter sie, über die gesetzlich vorgegebenen Mindeststandards der Daseinsvorsorge hinaus – sich leisten wollen.
Was weder schwarz-gelbe Bundes- und Landesregierungen noch schwarz-rote und rot-grüne bis heute schafften, das würden die EU-Kommission und der US-Handelsminister mit ihrem Freihandelsabkommen „TTIP“ schaffen – wenn sie nicht von unten gestoppt werden: die Selbstverwaltung der Kommunen vollends abwürgen, diesen Eckpfeiler unserer Demokratie niederreißen. Dass TTIP, sollte es nicht verhindert werden, und CETA, das soeben ausgehandelte Abkommen mit Kanada – radikal Schluß machen würden mit unserer kommunalen Budgethoheit, will ich an konkreten Beispielen aus Dortmund zeigen.

Beispiel Gemeindesteuern

Ein ganzes Kapitel von CETA – und dann wohl auch von TTIP – behandelt steuerliche Fragen. Auch hier läuft die Sache darauf hinaus, die Staaten und ihre Gliederungen schadenersatzpflichtig zu machen, wenn einem Investor irgendwelche Steuern erhöht werden.

Mit diesem Steuerkapitel begeht die EU-Kommission nach Ansicht namhafter Verfassungsjuristen einen offenen Rechtsbruch. Denn die EU hat keinerlei Befugnisse, in die Steuerhoheit der Mitgliedstaaten einzugreifen. Der Streit um die rechtliche Bewertung dieses Eingriffs wird sehr wahrscheinlich vor Verwaltungs- und Verfassungsgerichten landen. Davon unabhängig aber hätten CETA und TTIP jedenfalls empfindliche Auswirkungen auf die kommunalen Steuereinnahmen:

Wenn multinationale Großkonzerne immer mehr die heimische Wirtschaft aus dem Markt drängen, sinken mit Sicherheit die Einnahmen aus einer der wichtigsten Gemeindesteuern, auf die unser Kämmerer aufgrund der desolaten Haushaltslage der Stadt dringend angewiesen ist: der Gewerbesteuer. Denn US-Konzerne zahlen in Dortmund keine Gewerbesteuern. Und ob der Stadtrat unter TTIP noch einmal wagen würde, die Gewerbesteuer anzuheben wie vor einem Jahr, müssen wir wohl ausschließen.

In eher bescheidenem Umfang haben unsere Kommunen bis dato auch das Recht, eigene Steuern zu erheben. Sobald CETA oder TTIP in Kraft tritt, wäre die Stadt für jede neue Steuer, die sie der Wirtschaft auferlegt, gegenüber US- und kanadischen Firmen schadenersatzpflichtig.

Ebenso wenn sie solche Steuern erhöht. Wie die Lokalpresse berichtete, hat der Dortmunder Stadtrat vor kurzem die Bettensteuer auf Hotelübernachtungen heraufgesetzt. Wäre TTIP schon in Kraft, könnten das Hilton-Hotel und einige weitere zu US-Ketten gehörende Häuser sich zwar nicht weigern, die Steuer an die Stadt abzuführen, denn nach neuester Rechtslage sind Steuerschuldner der Stadt nicht die Hotels selbst, sondern deren Übernachtungsgäste. Aber auf Schadenersatz verklagen könnten sie die Stadt dennoch, wenn sie glaubhaft machen, dass wegen der Bettensteuer ihre Übernachtungszahlen zurückgehen oder nicht in erwartetem Maß zunehmen. Vermutlich müssten sie das nicht mal beweisen – den privaten Schiedsrichtern dürfte schon ausreichen, dass die Stadt hier ein neues Hemmnis für private Investoren aufgebaut hat. Anfechtbar wäre ihr „Urteil“ ohnehin nicht.

Zusammenfassen lässt sich das Ganze schließlich in zwei Sätzen:

-       Auf rechtlicher Ebene maßt sich die EU-Kommission an, wesentliche Teile unseres Grundgesetzes auszuhebeln wie die Selbstverwaltung der Kommunen und die Steuerhoheit des Nationalstaats und verstößt damit auch gegen die EU-Verträge – ohne dass sie es für nötig hält, die nationalen Parlamente oder gar die betroffenen Bürger nach ihrer Zustimmung zu fragen.

-       Auf finanzieller Ebene soll und würde TTIP die öffentliche Daseinsvorsorge, die bei uns hauptsächlich von den Kommunen erbracht wird, Schritt für Schritt abwürgen und unsere städtischen Einrichtungen an private Geschäftemacher ausliefern – wie es heute in den USA der Fall ist, wo Städte wie Detroit schon zahlungsunfähig sind.

Wir wissen aber: Nur die Reichen können sich arme Städte leisten. Wenn wir unsere Heimatstadt, so wie wir sie kennen und schätzen, behalten wollen, müssen wir die EU-Kommission stoppen.

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