Ein Vortrag für die Ratsfraktion DIELINKE & Piraten mit ATTAC und Gewerkschaft VERDI – 3. Teil und Schluss
Für
unsere föderale Verfassung ist ja wesentlich, dass sie den Bürgern auf der
untersten staatlichen Ebene, in der Kommune, relativ weite Regelungsrechte
einräumt. Und das Standbein dieser kommunalen Selbstverwaltung ist die im
Grundgesetz verankerte Finanz- oder Budgethoheit, nach der Städte und
Gemeinden selbst bestimmen können, welche öffentlichen Güter sie, über die
gesetzlich vorgegebenen Mindeststandards der Daseinsvorsorge hinaus – sich leisten
wollen.
Was
weder schwarz-gelbe Bundes- und Landesregierungen noch schwarz-rote und
rot-grüne bis heute schafften, das würden die EU-Kommission und der
US-Handelsminister mit ihrem Freihandelsabkommen „TTIP“ schaffen – wenn sie
nicht von unten gestoppt werden: die Selbstverwaltung der Kommunen
vollends abwürgen, diesen Eckpfeiler unserer Demokratie niederreißen. Dass
TTIP, sollte es nicht verhindert werden, und CETA, das soeben ausgehandelte
Abkommen mit Kanada – radikal Schluß machen würden mit unserer kommunalen
Budgethoheit, will ich an konkreten Beispielen aus Dortmund
zeigen.
Beispiel
Gemeindesteuern
Ein
ganzes Kapitel von CETA – und dann wohl auch von TTIP – behandelt steuerliche
Fragen. Auch hier läuft die Sache darauf hinaus, die Staaten und ihre Gliederungen
schadenersatzpflichtig zu machen, wenn einem Investor irgendwelche Steuern
erhöht werden.
Mit
diesem Steuerkapitel begeht die EU-Kommission nach Ansicht namhafter Verfassungsjuristen
einen offenen Rechtsbruch. Denn die EU hat keinerlei Befugnisse, in die Steuerhoheit
der Mitgliedstaaten einzugreifen. Der Streit um die rechtliche
Bewertung dieses Eingriffs wird sehr wahrscheinlich vor Verwaltungs- und
Verfassungsgerichten landen. Davon unabhängig aber hätten CETA und TTIP
jedenfalls empfindliche Auswirkungen auf die kommunalen Steuereinnahmen:
Wenn
multinationale Großkonzerne immer mehr die heimische Wirtschaft aus dem Markt drängen, sinken
mit Sicherheit die Einnahmen aus einer der wichtigsten Gemeindesteuern, auf die
unser Kämmerer aufgrund der desolaten Haushaltslage der Stadt dringend angewiesen
ist: der Gewerbesteuer. Denn US-Konzerne zahlen in Dortmund keine
Gewerbesteuern. Und ob der Stadtrat unter TTIP noch einmal wagen würde, die
Gewerbesteuer anzuheben wie vor einem Jahr, müssen wir wohl ausschließen.
In
eher bescheidenem Umfang haben unsere Kommunen bis dato auch das Recht, eigene
Steuern zu erheben. Sobald CETA oder TTIP in Kraft tritt, wäre die Stadt für
jede neue Steuer, die sie der Wirtschaft auferlegt, gegenüber US- und
kanadischen Firmen schadenersatzpflichtig.
Ebenso
wenn sie solche Steuern erhöht. Wie die Lokalpresse berichtete, hat der Dortmunder
Stadtrat vor kurzem die Bettensteuer auf Hotelübernachtungen
heraufgesetzt. Wäre TTIP schon in Kraft, könnten das Hilton-Hotel und einige
weitere zu US-Ketten gehörende Häuser sich zwar nicht weigern, die Steuer an
die Stadt abzuführen, denn nach neuester Rechtslage sind Steuerschuldner der
Stadt nicht die Hotels selbst, sondern deren Übernachtungsgäste. Aber auf
Schadenersatz verklagen könnten sie die Stadt dennoch, wenn sie glaubhaft
machen, dass wegen der Bettensteuer ihre Übernachtungszahlen zurückgehen oder
nicht in erwartetem Maß zunehmen. Vermutlich müssten sie das nicht mal beweisen
– den privaten Schiedsrichtern dürfte schon ausreichen, dass die Stadt hier ein
neues Hemmnis für private Investoren aufgebaut hat. Anfechtbar wäre ihr „Urteil“
ohnehin nicht.
Zusammenfassen
lässt sich das Ganze schließlich in zwei Sätzen:
-
Auf
rechtlicher Ebene maßt sich die EU-Kommission an, wesentliche Teile unseres Grundgesetzes
auszuhebeln wie die Selbstverwaltung der Kommunen und die Steuerhoheit
des Nationalstaats und verstößt damit auch gegen die EU-Verträge – ohne dass
sie es für nötig hält, die nationalen Parlamente oder gar die betroffenen
Bürger nach ihrer Zustimmung zu fragen.
-
Auf
finanzieller Ebene soll und würde TTIP die öffentliche Daseinsvorsorge, die bei
uns hauptsächlich von den Kommunen erbracht wird, Schritt für Schritt abwürgen
und unsere städtischen Einrichtungen an private Geschäftemacher ausliefern – wie
es heute in den USA der Fall ist, wo Städte wie Detroit schon zahlungsunfähig
sind.
Wir
wissen aber: Nur die Reichen können sich arme Städte leisten. Wenn wir unsere
Heimatstadt, so wie wir sie kennen und schätzen, behalten wollen, müssen
wir die EU-Kommission stoppen.
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