Das wird von manchen Leuten bestritten,
z.B. von Verfechtern eines „Bedingungslosen Grundeinkommens“ (BGE).
Aber wenn wir „Beschäftigung“ nicht nur auf abhängige Lohnarbeit reduzieren,
sondern auf alle produktive Tätigkeit
des Menschen, also auf bedarfsdeckende Arbeit
schlechthin verallgemeinern, müssen wir anerkennen, daß jegliche
Kulturleistung und aller Wohlstand er-arbeitet werden muß.
Und weil das so ist,
Weil Wohlstand der Gesellschaft durch Arbeit entsteht,
wächst der Wohlstand mit der Beschäftigtenzahl und erreicht sein jeweils
mögliches Maximum bei Vollbeschäftigung.
Nun wird Vollbeschäftigung
im Kapitalismus immer nur in kurzen
Phasen der Hochkonjunktur mit hohem Wirtschaftswachstum erreicht, wenn
die Produktion schneller wächst als die Arbeitsproduktivität (Rationalisierung).
Es lässt sich kaum noch ernsthaft bestreiten, daß solche Wachstumsraten in
normalen Friedenszeiten nicht mehr erzielbar sind.
Seit Mitte der 1970’er Jahre
steigt die Arbeitsproduktivität durch technischen Fortschritt und
Rationalisierung der Arbeitsabläufe schneller als die Masse der Produkte (das
BIP) wächst. Seit etwa 12 Jahren stagnieren die Reallöhne, seit fast zehn
Jahren sinken die Renten und Transfereinkommen. Die Exportüberschüsse, mit
denen die deutsche Wirtschaft gegenwärtig noch auf Kosten ihrer Abnehmerländer
wächst, können die strukturelle Unterbeschäftigung zwar noch abfedern, aber sie
stoßen jetzt an die kritische Grenze, an der dauerhafte Ungleichgewichte in den
Handelsbilanzen zwangsläufig die Absatzmärkte ruinieren. – Abgesehen davon gibt
es gute Gründe der Ökologie und der Demografie, warum die Menschheit sich schnellstmöglich
von der Illusion grenzenlosen Wachstums verabschieden muß.
Das alles stellt uns vor die Frage, ob wir Vollbeschäftigung anders herstellen
können als nur über den kapitalistischen Arbeitsmarkt?
Wenn wir „Arbeit“ nicht mit
kapitalistischer Lohnarbeit gleichsetzen, sondern umfassend begreifen, können
wir erkennen:
Arbeit war von allem Anfang an zunächst Selbsthilfe.
Und
das ist sie auch heute noch:
Nach
verschiedenen Schätzungen arbeiten gegenwärtig etwa 80 % der Menschheit außerhalb der kapitalistischen Arbeitsmärkte
als Selbstversorger. (Die
Wissenschaft spricht von sogen. „Subsistenzökonomien“.) Und selbst in den hoch entwickelten Ländern gab und
gibt es immer diese Gegenwelt zur
kapitalistischen Ausbeutung:
- Riesige gesellschaftliche Bedarfe bleiben
unbefriedigt, weil sie privaten Unternehmern keine Profitanreize bieten (zahlungsfähige
Nachfrage),
-
- In allen Industrieländern gibt es riesige Reservearmeen
von Erwerbslosen, von denen viele sich mit sogen. „Schwarzarbeit“ durchschlagen,
-
- Genossenschaftswesen usw.
Selbsthilfe ist mehr als ein Notbehelf.
Über den aktuellen Bedarf
hinaus bietet der sozialgewerbliche "zweite" Arbeitsmarkt
Zukunftsperspektiven für ein
selbstbestimmtes Arbeiten, das auf die Bedürfnisse der Menschen gerichtet
ist und nicht auf Profitmaximierung, Arbeiten ohne Zwang und Sanktionen durch
die ARGE.
Schon jetzt sind die meisten
Projekte nicht so streng von oben nach unten ausgerichtet wie gewerbliche
Unternehmen und der öffentliche Dienst. In einigen Ländern, auch in Europa,
bestehen z.B. für Genossenschaften
viel bessere Rahmenbedingungen als in Deutschland.
Unter Ausnutzung der
steigenden Arbeitsproduktivität und immer kürzerer Arbeitszeiten erscheint freiwilliges Arbeiten, befreit vom Zwang
zum existenzsichernden Lohnerwerb, als durchaus realistische Zukunft in
einer insgesamt humaneren Gesellschaft.
Damit wäre auch der Missbrauch des Ehrenamts zu
Lohndrückerei und Arbeitsplatzabbau nach und nach zu überwinden.