Donnerstag, 19. Februar 2015

Notizen aus der Provinzhauptstadt: RWE-Ausverkauf geht weiter, in RWE-Dortmund – noch – nicht


Am Freitag-dem-dreizehnten (Februar) meldete die WAZ:
RWE verkauft Hälfte des Groß-Windparks Triton Knoll“ vor der englischen Ostküste.
Am selben Tag berichtete die taz:
„Divestment Day in Münster - Kein Kapital für Kohle. Als wenn das Kohle- und Atom-Unternehmen RWE nicht schon genug Probleme mit der Energiewende hätte. Nun kommt auch noch die Stadt Münster und will Aktien des Konzerns verkaufen, um Druck für mehr Klimaschutz zu machen. „Soweit wir wissen, sind wir die erste deutsche Kommune, die das beschlossen hat“, sagte Otto Reiners, der Fraktionssprecher der Grünen im Stadtrat.
Damit agiert die Stadt ganz im Sinne der Umweltschützer, die sich am Freitag und Samstag bei Aktionen an vielen Orten in Deutschland und anderen Staaten für das sogenannte Divestment einsetzen: Investoren wie Kommunen, Staatsregierungen, Banken und Pensionsfonds sollen Anlagekapital aus Industrien abziehen, die Kohle, Gas und Öl fördern, verarbeiten und verbrennen. Damit wollen die Aktivisten Firmen drängen, aus fossilen Energien auszusteigen und mehr Klimaschutz zu betreiben. In Münster hat der Stadtrat unter anderem mit den Stimmen der Grünen und der SPD einen solchen Beschluss gefasst. Der Kämmerer von der CDU muss ihn nun umsetzen. Allerdings geht es um relativ bescheidene Summen. In zwei Investmentfonds stecken Rücklagen für die Pensionen der städtischen BeamtInnen in Höhe von 10 bis 12 Millionen Euro, die umgeschichtet werden sollen. Ein Teil davon ist unter anderem in Aktien von RWE angelegt.“ (Infos zum Global Divestment Day: gofossilfree.org/de/)

Münster wird damit Vorbild in Sachen Klimaschutz. Die RWE-Hochburg Dortmund hingegen prahlt zwar mit einem „Handlungsprogramm Klimaschutz“ und einem „Masterplan Energiewende“ – ist aber mit ganz anderen Summen an den Atom- und Kohle-Multi gekettet: Die Dortmunder Stadtwerke halten ca. 23 Millionen Stück RWE-Aktien mit einem aktuellen Börsenwert von rund 540 Mio.€ im Portefeuille (vor der Energiewende war Dortmunds RWE-Aktienpaket noch über 2 Mrd.€ wert, heute nur noch 540 Mio!). Das sind zwar „nur“ ca. 3,7 % des gesamten Aktienkapitals von RWE. Aber wollten sie die heute verkaufen, würden sie wohl kaum einen Käufer finden. Denn der Börsenkurs des Unternehmens ist binnen sechs Jahren auf weniger als ein Viertel abgesackt und wird voraussichtlich weiter verlieren, weil RWE mit der brutalen Macht der „Systemrelevanz“ gegen die Energiewende gepokert und sich verzockt hat. Erkennbar etwa an der WAZ-Meldung oben.
Allerdings wäre es heute nicht mehr möglich, mit dem Verkaufserlös der RWE-Aktien die 40-%-Beteiligung der RWE an der Dortmunder Energie- und Wasserversorgung abzulösen, um diese vollständig zu rekommunalisieren. Hat doch hier erst vor wenigen Wochen eine GroKo der RWE-Amigos im Stadtrat bedenkenlos den Klimaschutz nieder gestimmt und den Gesellschaftsvertrag mit RWE um 25 Jahre verlängert. Und das obgleich nach neuer Rechtslage Kommunen nicht erst bei einem Verkauf der RWE-Aktien, sondern fortlaufend Wertverluste gegenüber einem höheren Einkaufspreis der Aktien als realen Verlust von ihrem Vermögen abbuchen müssen. Allein die 3,3 Millionen Stück, welche die Dortmunder Stadtwerke seit 2008 zugekauft hatten, mussten sie bis Ende 2013 um 80 Mio € „wertberichtigen“, das heißt als Verlust ausbuchen, und bis zum heutigen Tageskurs der RWE-Aktie dürften weitere 10 Mio € abgeschmolzen sein. Das mindert das Eigenkapital und zwingt die defizitäre Stadtkasse, den Stadtwerken immer neues Kapital nachzuschießen. Bei einem Verkauf des ganzen Pakets dürften weit über hundert Millionen Miese den Verkaufserlös schmälern.
Fazit: Die Stadt Dortmund bleibt auf absehbare Zeit an den Niedergang des Dinosauriers RWE gekettet. Und zwar aus eigenem Versagen und Verschulden. Da fragt man sich, was gewählte Stadtpolitiker antrieb, die Kommune so auf Gedeih und Verderb an einen privaten Großkonzern auszuliefern. Wenn man sich nicht mit dem naheliegenden, aber unzureichenden Verweis auf die Bestechung mit Aufsichtsrats- und Beiratsgeldern von RWE zufrieden gibt, bleibt als Erklärung nur die Ideologie: Ein Jahrhundert lang hielten auch Sozialdemokraten, durch keinerlei Katastrophen belehrbar am bürgerlichen Glauben fest, das Wohl und Wehe des Staatswesens und somit auch der Gemeinden hänge am Wohlergehen großer Wirtschaftsunternehmen, egal ob in öffentlicher oder privatkapitalistischer Hand. Von dieser Ideologie wollen sie auch heute nicht lassen – mit seltenen Ausnahmen wie jetzt in Münster – die neueste Spielart des Sozialdemokratismus gibt sogar dem neoliberalen „Privat vor Staat“ den Vorzug, siehe Sigmar Gabriel und TTIP. Koste es was es wolle – nur bei extremer politischer Wetterlage müssen sie ja persönlich dafür haften.

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