"Warum heizen
Schäuble und – vermutlich auf dessen Weisung hin – Dijsselbloem (Sprecher der
Euro-Gruppe) die Krise an und reden davon, dass Griechenland sozusagen aus
Versehen pleite gehen könnte? Sie haben aus politischen Gründen Angst davor,
dass die griechische Regierung zu einem Miniteilerfolg kommt, wie er im vage formulierten
Abkommen mit der Euro-Gruppe vom 20. Februar vereinbart wurde. Danach hätte
Athen vier Monate Zeit gehabt, um einen Plan zur Verbesserung der öffentlichen
Finanzen und zur Belebung der Wirtschaft zu entwickeln. In der Zwischenzeit
sollte die Auszahlung der Kredite zur Begleichung der Altschulden erfolgen.
Diese vier Monate freie Hand sollen nun im nachhinein nicht mehr zugestanden
werden. (…) Uns macht es nichts aus, am Rande des Zerfalls der Euro-Zone zu
balancieren, sagen Dijsselbloem und Schäuble und die anderen Rechtspopulisten
(um mal einen harmlosen Ausdruck für sie zu gebrauchen)."
Dies schrieb Lucas Zeise in der jungen Welt vom 21.03.15
(https://www.jungewelt.de/2015/03-21/025.php)
Nein, populistische Anti-Europäer sind Schäuble und sein
Balljunge Dijsselbloem nicht. Sie würden Europa schon wollen. Was sie in ihrem
Europa nur überhaupt nicht dulden können, brachte vor einigen Tagen in
dankenswerter Offenheit ein deutsches Leitmedium auf den Punkt: "Athen
darf nicht als Sieger vom Platz gehen." (DIE WELT vom 12.03.2015).
Das wäre ja noch schöner, dass eine linke Regierung die kontinentale Oberhoheit
des deutschen Kapitals in Frage stellt. Um das zu verhindern, riskieren
Schäuble und EZB-Draghi auch den Zerfall der Eurozone.
Die europäische Linke hätte zu besorgen, dass Schäuble u.co.
Europa nicht länger mit dem Euro erpressen können. Erpressbar sind Regierungen
ja nur, solange in ihren Ländern noch Mehrheiten den Euro mitsamt den von Deutschland
diktierten „Reformen“ für das kleinere Übel halten gegenüber der eigenen nationalen
Währungshoheit. Um den Menschen die kühle Abwägung von Vor- und Nachteilen zu
erleichtern, wären unvoreingenommene Wissenschaftler gefordert, entsprechende fundierte
Analysen zu liefern, und linke Politik müsste auf dieser Grundlage ihre Haltung
zur Währungsunion im Geist internationaler Solidarität überprüfen und eventuell
neuen Erkenntnissen anpassen.
Denn auch auf der Linken stellt der Wahlsieg von SYRIZA alte
Gewissheiten in Frage. Zu Zeiten der Gründung der Währungsunion hatte die PDS
sich noch gegen sie ausgesprochen: „Nein zu diesem Euro!“ Leider ist ihr im
Prozess des Übergangs in die LINKE diese Eindeutigkeit abhanden gekommen. Besonders
seit dem Ausbruch der Eurokrise herrscht in der LINKEN ein verwirrendes Durcheinander.
Jürgen Klute, Mitglied der
Linksfraktion im Europäischen Parlament (12.03.15): „Die Europäische Linke hat der Troika-Politik bisher keine einheitliche
Position entgegenzusetzen. Um eine solche zu entwickeln, werden gezielte und konzertierte gemeinsame Anstrengungen nötig
sein.“
Axel Troost, finanzpolitischer
Sprecher der Bundestagsfraktion DIE LINKE, leitete (2013) einen Aufsatz über
„Szenarien eines Endes der Euro-Zone“ so ein: „Wir halten an
unserem Ziel fest, den Euro als Gemeinschaftswährung zu erhalten und die
Währungsunion so zu verändern, dass sie als ökonomisches und politisches
Projekt funktioniert. In ihrer heutigen Konstruktion kann die Währungsunion
aber tatsächlich nicht längerfristig bestehen, weil sie einzelne Länder
systematisch in die Zahlungsunfähigkeit steuert. Es ist daher zulässig, sich
konkrete Szenarien eines Scheiterns des Euro auszumalen. Diese Szenarien aber –
so wird sich zeigen – sind umso mehr Ansporn, alles Notwendige zu unternehmen,
um die Währungsunion zu reformieren statt sie kollabieren zu lassen.“
Dies scheint mir eine der alten Gewissheiten zu sein, die heute in Frage
stehen. Sind solche Hoffnungen noch zeitgemäß? (Waren sie es je?) Soll die
Linke sich an sie klammern, bis Schäuble, Draghi u.co mit dem Rausschmiss
Griechenlands die Wirtschafts- und Währungsunion (WWU) de facto beenden und uns ihren
„Euro-Nord“ aufdrücken? Müssten wir dem nicht zuvorkommen? Oder kann die Linke
nur passiv abwarten, wie oben die Herrschaften ihr Dilemma auflösen?
Und – da ja offenbar der Euro zur Waffe geworden ist, mit der sich vor
allem das deutsche Kapital Europa unterordnet: Kann es dann überhaupt mit diesem
Euro die europäische Einigung von unten geben? Oder nur ohne und
gegen ihn?
Das alles hätten wir jetzt dringend untereinander und mit unseren
europäischen Freunden zu besprechen.