Seit 1963 in Dorstfeld das lange Zechensterben anfing, und
bis 2001 der letzte Hochofen ausgeblasen war, hat das Verschwinden der großen
Industrien aus Dortmund die Nordstadt, als größtes zusammenhängendes Arbeiterquartier
der Stadt, besonders schwer getroffen. Und seither versucht lokale Politik, die
verheerenden Folgen globaler Kapitalstrategien, die man heute gern als
„Strukturwandel“ beschönigt, in der Nordstadt mit allerlei Hilfsprogrammen
abzufedern. Weit mehr als 100 Mio € aus öffentlichen Kassen sind in diesen
fünfzig Jahren in der Nordstadt versickert – doch bis heute blieb sie der
Stadtteil mit den massivsten sozialen Problemlagen, mit großem Abstand zu allen
anderen Sozialräumen der Stadt.
Gegen Ende des Jahrtausends ließ sich nicht mehr vertuschen,
dass trotz der Ausweitung der diversen Nordstadtprogramme die Lage zu kippen
und Teile des Stadtbezirks zu Elendsvierteln abzurutschen drohten. Inzwischen
gab es das Landesprogramm NRW „Stadtteile mit besonderem Erneuerungsbedarf“,
wenig später das Bund-Länder-Programm „Soziale Stadt“ und das EU-Förderprogramm
URBAN II für Stadtteile in der Krise, aus allen ließen sich –zig Millionen € in
die Nordstadt leiten. Es folgten im Jahresrhythmus immer neue Konzepte mit
dutzenden Plänen und Projekten. Schon einen Monat nach seiner Wahl zum OB, im
September 2009 sahen Sierau und sein Verwaltungsvorstand sich veranlasst, auf
alarmierende Medienberichte über aktuell zugespitzte Problemlagen mit einem
neuen „Integrierten Stufenkonzept für eine Lebenswerte Nordstadt“ zu
reagieren... Doch keine der sozialen Problemlagen konnte durchgreifend geheilt
werden. Wie denn auch! Wie könnte ein bürokratischer Apparat die tiefen Schäden
heilen, die eine übermächtige Wirtschaft lebendigen Menschen antut?
Jetzt also eine neue Runde im Hamsterrad. Weil es schon
längst peinlich ist, dass in der Nordstadt sich so wenig grundlegend ändert,
jetzt die Ausweitung des Problemfelds auf den ganzen Dortmunder Norden. „Dialog
und Beteiligung“ stehen jetzt hoch im Kurs, Ideen sind der Verwaltung
willkommen. Offenbar stellen sich die Verantwortlichen die
"Zivilgesellschaft" als eine Maschine vor, in die man nur einen
Impuls eingeben muss - einen "Innovationsimpuls" - und schon
verbreitet sich "Aufbruchstimmung". Und weil dieser neue Impuls jetzt
die Stadt noch weniger kosten darf, nämlich überhaupt nichts mehr, bleibt
Stimmungsmache das einzige Mittel der Wahl. Der Beitrag der Verwaltung
erschöpft sich in der Auflistung - "Bündelung" - aller alten und noch
laufenden Projekte und "Masterpläne". Doch der große Zampano bleibt
Herr des Verfahrens, um sich herum ein handverlesenes "Kuratorium"
aus "hochrangigen Persönlichkeiten". Bürgerengagement ehrenamtlich
zur Entlastung des städtischen Haushalts. Nach dem Motto „Hilf dir selbst, dann
hilft dir Gott.“
Die Grundzüge der Solidarischen Stadt
Solidarität kommt im politisch-ideologischen Wortschatz
unserer Stadtspitzen nicht mehr vor. Wir, LINKE & Piraten haben aber schon
einige Eckpunkte für ein alternatives Leitbild der Solidarischen Stadt parat.
Wir laden die Verwaltung ein, sie mit uns und den Bürger-/innen des Dortmunder
Nordens zu verwirklichen:
- Die Stadt
muß Gemeinwesen („Kommune“) werden.
Der kapitalistische Sektor kann sich selbst finanzieren.
Selbsthilfe der Bürger hingegen braucht die notwendige Anschubfinanzierung vom
Staat, der Kommune und öffentlichen Einrichtungen wie Arbeitslosenversicherung,
Sparkasse, Stiftungen u.a. Das zu organisieren ist die ökonomische Hauptaufgabe
des solidarischen Gemeinwesens Stadt. Hier muß und kann eine Strategie der
Veränderung sofort ansetzen.
- Gerechte
Verteilung, Umwandlung aller 1-€-Jobs, Mindestlohn
Wie neben unserer Ratsfraktion auch die Dortmunder ARGE
nachgewiesen hat, wäre es sofort möglich, sämtliche „1-€-Jobs“ in reguläre,
sozialversicherte, tariflich bzw. zum Mindestlohn bezahlte Arbeitsverhältnisse
umzuwandeln, wenn die Leistungen des ALG 2, also Regelsatz, Kosten der
Unterkunft und die Kosten der Arbeitsgelegenheiten gebündelt werden und der
Trägeranteil von der Stadt bezuschusst wird.
- Unsere
Stärke sind die Menschen. Und zwar alle.
An erster Stelle der Solidarischen Stadtentwicklung steht
daher eine soziale Kommunalwirtschaft, welche die zig-tausend Dortmunder/-innen
einbezieht, die keine realistische Chance auf eine reguläre Beschäftigung am
„ersten“ Arbeitsmarkt haben. Das riesige brach liegende Leistungspotential der
arbeitslosen Menschen wird auch künftig nicht mit den herkömmlichen Strategien
der Wirtshchaftsförderung zu aktivieren sein. Eine sozial verträgliche
Wirtschaftspolitik hat heute mehr denn je öffentliche Beschäftigungspolitik zu
sein. Das gilt ganz besonders für den Dortmunder Norden. Lokale/regionale
Wirtschaftskreisläufe können nicht ausschließlich in den gängigen
kapitalistischen Unternehmensformen organisiert werden, sondern in einer auf
Teilhabe aller, auf gemeinsamen Nutzen, sinnvolle Selbstverwirklichung und
Selbstbestimmung gerichteten Stadtgesellschaft müssen Formen des
selbstverwalteten Gemeineigentums, z.B. in Genossenschaften, mit Vorrang
gefördert werden.
- Beschäftigungsförderung
zum Dreh und Angelpunkt der Wirtschaftsförderung machen
Arbeit bleibt das Fundament jeder Wirtschaft. Arbeit muss
daher im Mittelpunkt jeder Wirtschaftsförderung stehen. Arbeit ist zu allererst
Erwerbsquelle. Arbeit ist nicht deckungsgleich mit Lohnarbeit. Über ihre
wirtschaftlichen Ergebnisse hinaus bleibt Arbeit der wichtigste Integrationsmotor
für den Menschen in der Gesellschaft. Es darf also nicht um irgendwelche Arbeit
gehen. „Hauptsache Arbeit“ wird dem Menschen nicht gerecht. Es muss um „gute“
Arbeit gehen.
- Stärkung
des Gemeineigentums statt Privatisierung öffentlicher Einrichtungen
Der Vielfalt der Kooperationsbeziehungen in einer
solidarischen Kommunalwirtschaft entsprechen vielfältige Eigentums- und
Rechtsformen. Sie ersetzen nicht den kapitalistisch organisierten Sektor, aber
die vielfältigen Formen des Gemeineigentums müssen Vorrang vor dem
kapitalistischen Eigentum an Produktionsmitteln bekommen.
Als sinnvolle Beschäftigungsprojekte bieten sich im
Dortmunder Norden sofort an:
- Sanierung
herunter gewirtschafteter Wohnungsbestände und neuer sozialer Wohnungsbau
Von -zigtausend Arbeitsuchenden könnten einige Hunderte
bereit und fähig sein, durch handwerkliche Selbsthilfe etwa auf
genossenschaftlicher Grundlage ihre eigenen vier Wände zu modernisieren oder
neue zu schaffen. Wie nach dem 2. Weltkrieg könnten sie in wenigen Jahren den
kommunalen / staatlichen Vorschuß auf ihr Wohneigentum durch ihre handwerkliche
Eigenleistung getilgt haben und damit obendrein das Gemeinwesen von
lebenslangen Wohnkostenzuschüssen entlasten.
- dezentrale
integrierte Kreisläufe für Energieversorgung und Wertstoffrecycling
Kleine Anlagen mit Kraft-Wärme-Kopplung sind geeignet, das
Preisdiktat der marktbeherrschenden Strom-, Gas- und Müllkartelle auszuhebeln
und damit nicht nur der Masse der Kleinverbraucher, sondern auch der Kommune
erhebliche Kosten zu sparen. Solche Anlagen können von jeweils einem Dutzend
bis zu einigen hundert Haushalten in Eigenregie errichtet und betrieben werden.
Binnen 10 bis 12 Jahren erwirtschaften sie ihre Investitionskosten.
- Gesundheitswirtschaft
und Seniorenbetreuung
Der „erste“, profitgebundene Arbeitsmarkt erweist sich als
unfähig, der stetig wachsenden Zahl von Senioren eine menschenwürdige
Versorgung und Betreuung zu bieten. Das wird eine die wichtigsten, wenn nicht
die wichtigste Zukunftsaufgabe des gemeinnützigen, öffentlich geförderten
„zweiten“ Arbeitsmarktes.
- Bildung und
Erziehung
Wenn wir den Anschluß an die Bildungsniveaus
fortgeschrittener Länder wieder gewinnen wollen, müssen unser Land und unsere
Stadt erheblich mehr sowohl in die Bildung und (Ganztags-) Betreuung unserer
Kinder und Jugendlichen als auch in die Familienarbeit investieren. Das
überfordert die Möglichkeiten sowohl des öffentlichen Dienstes als auch des
gewinnorientierten „ersten“ Arbeitsmarktes bei weitem. Ein heute noch gar nicht
abzuschätzendes Beschäftigungsfeld für den ÖBS.
- Betreuung
und Integration von Zuwandererfamilien und Flüchtlingen
Eine Kommune handelte verantwortungslos, wenn sie diese
Aufgabe allein dem ehrenamtlichen bürgerschaftlichen Engagement überlassen
würde. Geldmangel darf keine Ausrede sein, wo Jahr für Jahr viele Millionen
Euro in die laufenden Kosten von Prestigeprojekten fließen.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen