Donnerstag, 7. Mai 2015

Michael Schlecht, MdB, wirtschaftspolitischer Sprecher Fraktion DIE LINKE – Klartext zu Griechenland

Die Verhandlungen zwischen der griechischen Regierung und ihren Gläubigern sind in der Endrunde. Die öffentliche Debatte dreht sich inzwischen nur noch um Fragen wie „Gelingt eine Einigung?“, „Wann geht Griechenland pleite?“ oder „Droht ein Austritt aus der Euro-Zone?“ Das ist bedauerlich. Denn darüber gerät in Vergessenheit, was an den Verhandlungen eigentlich bedeutsam ist. Hier einige kleine Erinnerungsstützen:
Mit welchen Forderungen und welcher Kritik ist die Syriza-geführte Regierung in Athen in die Ver-handlungen gegangen? Erstens mit der Forderung nach einem Ende des Kürzungsregimes, das nach-weislich die Wirtschaft ruiniert hat. Dieser Befund ist unstrittig. Doch die Gläubiger fordern weitere Einsparungen, Rentenkürzungen, Massenentlas-sungen und Steuererhöhungen für die Konsumen-ten.
Zweitens wollte Athen ursprünglich einen Schul-denschnitt. Auch dieser Punkt ist berechtigt – kein Mensch bezweifelt, dass Griechenland auf Dauer seine Schulden weder zurückzahlen noch bedie-nen kann. Doch die Gläubiger lehnen einen Schul-denschnitt ab. Ebenso wie eine – sinnvolle – Kopp-lung des Schuldendienstes an die griechische Wirtschaftsentwicklung.
Drittens fordert Athen eine Bekämpfung der hu-manitären Krise im Land. Dass es diese Krise gibt, ist ebenfalls unbestritten. Dennoch haben die Gläubiger – inoffiziell – Hilfsmaßnahmen für die ärmsten griechischen Haushalte kritisiert. Viertens will Syriza die reichen Haushalte stärker belasten und die armen entlasten. Denn Letztere haben in den vergangenen Jahren die Hauptlast der Spar-maßnahmen getragen. Das ist belegt: Das Ein-kommen des ärmsten Zehntels der Bevölkerung sank um 86 Prozent, das des reichsten Zehntels um 17 Prozent. Auch dieser Punkt geht also an Syriza.
Fünftens wollte Athen die Korruption und Steuer-hinterziehung stärker bekämpfen. Und sechstens schließlich die Gewerkschaften stärken – schließ-lich ist die gesamte Lohnsumme Griechenlands in den Zeiten der verordneten Wettbewerbsfähigkeit um 30 Prozent gesunken, die inländische Nachfra-ge ist zusammengebrochen.
All dies sind berechtigte Forderungen. Doch die Gläubiger – insbesondere die Bundesregierung – verweigern sich einer Einigung und schimpfen lieber über die „unprofessionelle“ Verhandlungs-führung der griechischen Regierung. Ganz offen-sichtlich wird am Beispiel Griechenland ein Exem-pel statuiert: Kein Land darf sich den neuen Re-geln der Euro-Zone – Sparsamkeit und Wettbe-werbsfähigkeit durch Lohnsenkung – verweigern. Kein Land darf ausscheren, das wird am Fall Grie-chenland derzeit klargemacht. Wenn sich doch eines wehrt, wird es in die Pleite gedrückt.
Dabei fehlt ein wesentlicher Punkt auf der Forde-rungs-Liste von Syriza: die Rolle Deutschlands. Was war der tiefere Grund für die Euro-Krise? Die drastische Lohnsenkungspolitik der Bundesregie-rung – Stichwort Agenda 2010. Sie verhalf den deutschen Unternehmen unfairen Wettbewerbs-vorteilen und beschränkte die deutschen Importe. Das Resultat: riesige Außenhandelsüberschüsse, die sich von 2000 bis Ende 2015 auf zwei Billionen belaufen werden. Spiegelbildlich mussten so bei den Handelspartnern ebenso riesige Defizite, also Schulden entstehen. Wer den Abbau der Außen-handelsüberschüsse vor allem durch deutliche Lohnsteigerungen in Deutschland verweigert, der will nicht, dass zum Beispiel die Eurokrisenländer sich entschulden.
Fakt ist: Griechenland – und die gesamte Euro-Zone – werden nie stabilisiert, wenn Deutschland diesem Pfad weiter folgt. Nur wenn hierzulande die Löhne endlich stärker steigen und der Staat seine Ausgaben erhöht, schafft dies in Europa die Nachfrage, die die Wirtschaften stimuliert und, die Defizite verschwinden lässt. Deswegen sind Streiks für höhere Löhne – zum Beispiel der Erzieherinnen und der Lokführer – faktisch die höchste Form der Solidarität, die man in Deutschland für Griechen-land – und andere Euro-Länder - leisten kann.
Wer stattdessen lieber argumentiert, überschul-dete Verlierer-Nationen sollten aus der Euro-Zone ausscheiden, der stellt sich die europäische Wirt-schaft offensichtlich als eine Art Fußball-EM vor, bei der die Unterlegenen das Turnier verlassen müssen. Nur bleibt dann Deutschland am Ende als einziger übrig – und ist umringt von ruinierten Ländern, mit denen es keinen Handel treiben kann.

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