Freitag, 19. Juni 2015

Bild Dir Deinen Sigmar!

aus: NachDenkSeiten http://www.nachdenkseiten.de/?p=26449#h02

Man könnte mittlerweile eine eigene Deutschstunde eigens für Sigmar Gabriels Beiträge einrichten. Von Woche zu Woche hat man das Gefühl, dass der Parteivorsitzende der Sozialdemokratie mit Wortbeiträgen verzweifelt darum bemüht ist, sein eigenes Profil zu schärfen. Nun wird vielleicht mancher Leser einwenden, wie sonst könne das politische Profil geschärft werden, wenn nicht mit aktuellen Ansichten zur politischen Lage? Nur zur Illustration: Angela Merkel ist es über die Jahre gelungen, durch strikte Dosierung von persönlichen Bekenntnissen das Image der besonnenen Fachfrau zu schaffen. Sigmar Gabriel entwickelt sich zunehmend und genüsslich zum parlamentarischen Arm der Bild-Zeitung. […]
Ein Anruf der Bild-Redaktion und die Bitte für einen Gastbeitrag ist etwas, das für manche Politiker wie ein Sechser im Lotto oder eine Doppelportion Bockwurst mit Schrippe wirkt: das pure Glück.
Für Gabriel muss es eine Dauerbockwurstparty sein, die ihn dazu bewegt, Politik mithilfe des Boulevards zu machen. Innerparteilich ist er schwach. Seine Parteigenossen haben mittlerweile keine Hemmungen, sich öffentlich von ihm zu distanzieren oder zu widersprechen. Wer aber regelmäßig in der Bild sprechen darf, hat fünfmal mehr Zuhörer als Mitglieder in der eigenen Partei. Und so hat er Aussicht auf mehr Zustimmung in der Bevölkerung und damit eine Form der Macht, die mächtiger als das Parteimandat ist.
Natürlich geht es Gabriel in seiner Äußerung keine Sekunde lang über die griechischen Kommunisten (wer?) und ihre “überzogenen Wahlversprechen” (welche?), die vom deutschen Arbeitnehmer und seiner Familie (hier gleichzusetzen mit “der Bild-Leser”) alimentiert werden. Es geht um den Wunsch, wahrgenommen zu werden. Politiker wie Wolfgang Bosbach machen es vor. Sie verknüpfen ihr persönliches Schicksal mit dem Schicksal eines europäischen Mitglieds an der Ägäis und drohen mit Bosbexit. Sigmar Gabriel will von dem Graben, der in der Griechenland-Frage innerhalb der CDU herrscht, profitieren. Er schlägt sich auf die Seite der Grexit-Befürworter in der Hoffnung auf mehr Fans.
Quelle: Mely Kiyak auf Zeit Online

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