Mittwoch, 1. Juli 2015

Die "Amerikaner Europas"


T. Konicz in: Telepolis, 30.06.2015

"Das Kreditprogramm für Hellas wurde auch deswegen nicht um sieben Tage verlängert, um den Druck auf die griechische Regierung aufrechtzuerhalten und die griechischen Wähler zu erpressen. Das Land soll in den Ausnahmezustand manövriert werden. Bürgerkrieg? Dieses Wort wird inzwischen in Griechenland - gerade von der proeuropäischen rechten Opposition - inflationär gebraucht. Die Proteste der ehemaligen Regierungsparteien, die in den vergangenen Tagen initiiert wurden, haben zu einer Zuspitzung des politischen Klimas in Griechenland geführt. Die Stimmung verfinstert sich zischen der essenziell rechten Pro-Austeritäts-Bewegung und der Massenbasis von Syriza, sodass es in den vergangenen Wochen zur Routine wurde, die Wörter "Bürgerkrieg" zu benutzen.

Berlin betreibt somit eine ordinär imperialistische Politik, bei der missliebige Regierungen in abhängigen und peripheren Staaten einfach weggeputscht werden, wenn diese nicht die Weisungen aus dem Zentrum befolgen. Süd- und Osteuropa spielen längst die Rolle eines europäischen Lateinamerikas. Südeuropa wird von Deutschland - das die Rolle der USA Europas einnimmt - lateinamerikanisiert. Der rechte Spiegel-Kolumnist Jan Fleischhauer hat bereits 2012 in unverschämter Offenheit diese neue Machtkonstellation ausgesprochen und die Deutschen zu eben den "Amerikanern Europas" erklärt. "Die Deutschen würden sich nun daran gewöhnen müssen, "dass wir in manchen Ländern Europa für einige Zeit nicht mehr sehr beliebt sind".
Das kommende griechische Referendum richte sich gegen die deutsche Kanzlerin, berichtete etwa DieWelt.de empört: "Nichts anderes bedeutet das Referendum, das Tsipras am kommenden Sonntag abhalten will. Das griechische Volk gegen Angela Merkel. Sie hat die Rettungspolitik entworfen, ihre Leute haben die verhasste Troika erdacht, und sie haben durchgesetzt, dass der Internationale Währungsfonds entscheidet, wie hoch Renten und Steuern sind."
Als die EU-Kommission sich mit den eingangs erwähnten Kapitulationsangebot aus Athen zufrieden zeigte, war es eben der IWF, der mit neuen Forderungen querschoss. Zugleich betonte Berlin, dass ein Deal mit Athen nur unter Einbeziehung des IWF möglich wäre."


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