Zu strategischen Konsequenzen für die Linke aus der Eurokrise
Nach dem Anschluss der DDR und ihrer Enteignung durch eine
Räuberbande namens "Treuhand", nach der kriegerischen Zerstörung
Jugoslawiens mit anschließender "Neuordnung" des Balkans hat jetzt die
bedingungslose Kapitulation Griechenlands vor der nackten ökonomischen Erpressung
durch seine Gläubiger den deutschen Herrschaftsanspruch über ganz Europa erneut
mit Flammenschrift an die Wand geschrieben. Und für alle Welt sichtbar
enthüllte sich die Europäische Union als die absolut inhumane Kommandostruktur
der neuen Kolonialmacht.
Der Traum auch mancher Linker, diese EU ließe sich
wirtschaftlich, demokratisch und sozial erneuern, reformieren, humanisieren,
hat sich damit wohl für die allermeisten Linken endgültig ausgeträumt.
Unabhängig davon, ob die EU sich das deutsche Diktat
dauerhaft gefallen lassen kann oder die Widersprüche aus der ungleichzeitigen
Entwicklung der EU-Länder die Zwangsgemeinschaft über kurz oder lang zerreißen
müssen - unabhängig davon muss die europäische Linke im Licht der Eurokrise
ihre strategische Position zur EU überprüfen und klarer bestimmen:
Statt illusionärer Reformbemühungen am untauglichen Objekt
muss sie darauf orientieren, diesen antidemokratischen Herrschaftsapparat
auszuhebeln, nämlich durch die Zusammenarbeit der europäischen Nationalitäten
auf den Prinzipien der Selbstbestimmung, Unabhängigkeit, Gleichberechtigung und
solidarischer gegenseitiger Hilfe zu unterlaufen.
OXI zur marktkonform-technokratisch-antidemokratischen EU,
das klingt furchtbar linksradikal - aber unsere Eliten haben Europa an einen
Punkt manövriert, ab dem die Scheidelinie zwischen linksradikal und
"gemäßigt" da verläuft, wo Slavoj Zizek sie drei Tage vor dem
griechischen OXI zog: "Bei näherer Betrachtung seiner (Varoufakis') Vorschläge
muss einem unweigerlich auffallen, dass sie vor vierzig Jahren Teil des
sozialdemokratischen Standardprogramms gewesen wären; die schwedischen
Regierungen der 1960er Jahre etwa verfolgten weitaus radikalere Ziele. Es ist
ein trauriges Zeichen unserer Zeit, dass man heutzutage der radikalen Linken
angehören muss, um dieselben Mittel zu befürworten - ein Zeichen finsterer
Zeiten..."
Das bedeutet übrigens nie und nimmer, dass Linke nicht auch
weiter innerhalb der EU-Strukturen arbeiten - sondern auf das Ziel ihrer Arbeit
kommt es an. Das Ziel bestimmt die Methoden: Die Zusammenarbeit der Menschen
muss von unten und "draussen" aufgebaut werden. Darauf muss künftig der
Schwerpunkt linker Europapolitik liegen.
In der Eurokrise hat die SPD ihre Rolle als Stütze des
deutschen Herrschaftsanspruchs, für die sie sich seit 1914 immer wieder hergab,
einmal mehr auf die Spitze getrieben. Die Mehrzahl ihres Führungspersonals war
sich nicht zu schade, populistisch in die reaktionäre Hetze gegen das
griechische Volk einzustimmen. Und wie sich zeigte, hat auch die Parteibasis ihre
einstigen Grundwerte der internationalen Solidarität und der Solidarität mit
den Schwachen und Opfern des Kapitalismus vollständig vergessen.
Mit dieser SPD verbietet sich für Linke eine
Regierungskoalition. Alle Spekulationen auf einen Politikwechsel durch
"rot-rot-grüne" Regierungsübernahme haben sich damit für lange
erledigt.
Die griechische Regierung musste auch deshalb kapitulieren,
weil die Solidaritätsbewegung europaweit noch viel zu schwach blieb, um die
Erpresser unter Druck zu setzen. Ursachen sind zum einen, dass nach
jahrzehntelanger Defensive im pausenlosen Dauerbeschuss der neoliberalen
Propagandamedien viele Linke den ungleichen Kampf aufgegeben haben.
Die Resignation verstärken zum anderen Strukturen und strategische
Fehlentwicklungen linker Organisation. Eine vor allem parteiförmig aufgestellte,
sich in Parlamenten und Verwaltungsapparaten erschöpfende Linke, die hofft, mit
Gesetzesinitiativen und Talkshow-Auftritten die EU reformieren zu können, wirkt
weder überzeugend noch mobilisierend.
So unverzichtbar auch solche Aktionsformen sind und bleiben
- der Schwerpunkt linker Organisationsarbeit muss heute auf die
Massenmobilisierung verlagert werden. Dies hat SYRIZA uns einen historischen Moment
lang exemplarisch vorgemacht mit ihrer OXI-Kampagne zum Referendum.
Noch einmal Zizek: "SYRIZA...stellt sehr wohl eine
Bedrohung für die gegenwärtige Ausrichtung der EU dar - der globale
Kapitalismus kann sich eine Rückkehr zum alten Wohlfahrtsstaat nicht leisten...
Was, wenn der Moment gekommen ist, die Maske der Bescheidenheit fallen zu
lassen und für einen wesentlich radikaleren Wandel einzutreten, um auch nur
bescheidene Erfolge zu erzielen? Vielleicht ist das Referendum der erste
Schritt in diese Richtung."
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