Der
unsägliche Hans-Peter Friedrich, Ex-Innenminister aus der CSU, schimpfte in
Anne Wills Talkshow: "Ich weiß gar nicht, was die Dämonisierung von Zäunen
soll. Es gibt ganz viele Leute, die haben um ihre Häuser Zäune." Und seine
noch amtierende Gesinnungsfreundin, Österreichs Innenministerin, die ebenso
unsägliche Frau Mikl-Leitner von der ÖVP, sprang ihm bei: „Jeder, der ein Haus
hat, hat einen Garten und einen Zaun, und jeder entscheidet, wer rein darf und
wer raus."
So
wollen auch „wir“ (Deutschen) entscheiden, wer bei uns rein darf. Denn dies
Land gehört „uns“. – Tatsächlich? Gehört dies Land uns wie unser Häuschen,
unser Auto – oder wem gehört eigentlich was davon? Und über welche
Eigentumsverteilung und welche Machtverhältnisse, die diese Eigentumsverteilung
herstellen und sichern, soll das nationalistische „Wir“ uns immer wieder
hinwegtäuschen?
Viele
von denen, die Deutschland jetzt dicht machen, mit Grenzzäunen abschotten und
mit Abschiebeknästen umstellen möchten, begründen das tatsächlich ganz platt
mit dem „Fressen, das vor der Moral kommt“: „Die“ nehmen uns die Arbeit weg,
die Wohnung, unsere Sozialleistungen, brechen in unsere Villen ein, rauben uns
auf offener Straße das Handy und uns‘Omma die Brosche vom Hals. Solche Ängste,
so erklärlich sie in der „Wettbewerbsgesellschaft“ sind, werden von den
Funktionären des Eigentums gegen die Habenichtse gesteigert bis zur Hysterie,
wo sie keinem nüchternen Faktenckeck mehr zugänglich sind.
Doch
politisch mindestens so gefährlich wie die militanten, halb oder schon ganz
kriminellen Verteidiger des Eigentums (Pegida u.co.), weil mehr in die Breite
wirkt die „anständige“, dem Schein nach vernünftigere Variante des
bürgerlich-nationalistischen „Wir“. Sie argumentiert sittlich-kulturell, aber
dahinter versteckt sich auch nicht mehr als der – moralisch überhöhte –
Eigentumsdünkel: „Die Errungenschaften unseres Landes, unserer Kultur haben wir
erarbeitet, sagt diese Variante, also haben nur wir ein Anrecht darauf.“ – Das
ist natürlich hanebüchen geschichtsvergessener Blödsinn. Jahrtausende bevor
Nationen und nationale Eigentümlichkeiten entstanden, war gerade unsere
abendländische Kultur schon seit 4.000 Jahren immer ein Schmelztiegel, haben
wir Europäer – und in besonderem Maße mitten in Europa wir Deutschen – uns
immer alles angeeignet und genutzt, was die ganze Menschheit an geistigen und
materiellen Leistungen geschaffen hat. Unsere Zahlen stammen aus Arabien,
unsere Mathematik und Philosophie aus Griechenland, der Beton aus dem alten
Rom, das Glas aus Ägypten, das Porzellan aus China, unser Gott aus Israel, …
Wer gab uns eigentlich ein Recht dazu? Wir konnten das alles nur für unser Land
nutzen, weil wir immer offen waren für alle Völkerwanderungen herein und
hinaus. Und das haben wir bekanntlich bis in die jüngste Vergangenheit der
europäischen Gemeinschaft durchgehalten – klugerweise, denn mit Zuwanderern
kamen nicht nur Arbeitskräfte, sondern immer auch kultureller Reichtum ins
Land. Also worauf haben „wir“ ein Anrecht, das unsere Zuwanderer nicht hätten?
Chauvinistische
Abschottung gegen „Fremde“ wird auch nicht weniger dumm, wenn man mit „Wir“
nicht nur Deutschland meint, sondern gleich ganz Europa dicht macht. – „Aber
wir können doch nicht die ganze Welt aufnehmen.“ – Als ob es darum ginge! Als
ob die Welt nichts besseres wüsste, als der Heimat den Rücken zu kehren und von
fremden – „unseren“ Gütern zu schmarotzen! Auf so eine perverse Vorstellung
können nur Leute kommen, denen ihre eigene privilegierte, saturierte,
selbstgenügsame Lebensweise als der höchste erstrebenswerte Zustand der
Menschheit erscheint, und die folglich „die ganze Welt“ für genauso blöd halten
wie sich selbst.
Als
ob „die ganze Welt“ auf der Flucht wäre! Als ob es nicht ganz bestimmte, klar
erkennbare und vom Westen, namentlich auch von uns Deutschen zu verantwortende
Fluchtursachen gäbe! Und als ob wir nicht unser Handeln, unseren Lebensstil und
unsere Politik auf den Prüfstand zu stellen hätten: Wo mischen wir uns in
gesellschaftliche Konflikte anderer Länder ein, wo unterstützen wir
Bürgerkriegsparteien und beliefern sie mit Waffen, wo sind ungleiche
Handelsverträge, Kapitalexporte deutscher Konzerne, unser Lohndumping Ursachen
für Hunger und Elend? Und wie müssen wir selbst unser Leben und Zusammenleben
ändern, um Fluchtursachen aus der Welt zu schaffen?
Bei
gewissenhafter, unvoreingenommener Prüfung können wir nur zu diesen Schlüssen
kommen: Die Beseitigung der Fluchtursachen wird erst gelingen auf Grundlage
einer anderen Wirtschaftsweise, als sie der heutige Kapitalismus ermöglicht.
Solange uns die Kraft fehlt – und sie fehlt uns mit jedem Tag dringender! –
unsere Gesellschaft so gründlich zu verändern, kommen wir gar nicht umhin, die
Opfer unseres Handelns aufzunehmen. Zäune und Abschiebeknäste können sie nicht
hindern, zu uns zu kommen. Wir müssten sie schon abknallen wie die Hasen oder
massenhaft im Mittelmeer ertrinken lassen, wenn wir sie hindern wollten. Wer
das nicht will, muss die Ideologie des „Wettbewerbs“ (der Menschen, Nationen
und Kulturen) überwinden und ihr die internationale, weltweite Solidarität
entgegen stellen. Nicht zufällig ist die LINKE die einzige Partei im deutschen
Bundestag, die in dieser Frage kein bisschen wackelt.
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