Nach Ungarn, Polen, um ein Haar diesmal noch nicht Österreich, aber morgen vielleicht England, USA, übermorgen Frankreich, bald auch Deutschland: Selbst in gefestigten Demokratien gewinnen antiliberale Demagogen Massenzulauf und drängen den etablierten Parteien die politische Agenda auf. Ihre Rezepte und die öffentliche Auseinandersetzung mit ihnen kreisen um Ausgrenzung von Fremden, Grenzzäune, plebiszitäre Mobilisierung gegen Institutionen und Eliten, Verweigerung von Menschenrechten, Intoleranz. Die lokalen Varianten mögen sich unterscheiden. So notwendig es ist, die demagogischen Kurzschlüsse auch lokal zu widerlegen: Jenseits aller unterschiedlichen nationalistischen Rhetorik gehen die populistischen Rezepte auf eine gemeinsame Ursache zurück.
Die neoliberale Offensive hat alle diese Länder, den ganzen
„Westen“ in eine wirtschaftliche und soziale Dauerkrise gestürzt. Die
explodierenden Einkommen und Vermögen an der Spitze der Gesellschaften
finanzieren sich 1:1 aus Verarmung der unteren Hälfte der Bevölkerungen und
fortschreitender Prekarisierung der Mittelschichten. Die Enttäuschung über die
Unfähigkeit der Alt-Parteien, diesen sich zuspitzenden Widerspruch mit
friedlich-demokratischen Methoden innerhalb der gewohnten Verhältnisse auflösen
zu können, macht die Demokratien zunehmend unregierbar und stößt die
herrschende Klasse vorwärts, ihre Herrschaft in autoritäre Pseudodemokratien zu
transformieren.
- Aber kann man denn so unterschiedliche Bewegungen wie
Orbans Fidesz in Ungarn, Kaczynskis PiS in Polen, Straches FPÖ in Österreich,
Marine LePens FN in Frankreich, Frauke Petris AfD, Trumps Republican Party in
USA alle in denselben Sack „Populismus“ stecken? Ja, man kann, man muss sogar
den gemeinsamen Kern ihrer Heilsbotschaften herausschälen: Sie alle versprechen
einen radikal anderen Ausweg aus der Krise, aber nur als Umwälzung im Überbau,
ohne – das ist der springende Punkt – an der Krisenursache, nämlich an der
Klassengesellschaft und deren ökonomischer Basis das geringste ändern zu
wollen.
Sie schützen ausdrücklich das Eigentum und meinen das
kapitalistische Eigentum. Sie bekennen sich entschieden zum Wettbewerb und
meinen den privaten Reichtum, der angeblich aus „eigener Leistung“ entspringe,
und der weiter wachsen solle. Sie wollen den „schlanken Staat“ und meinen
fortgesetzten Abbau von Sozialleistungen und Privatisierung von
Gemeinschaftseinrichtungen.
Anders kann man nicht erklären, wieso die alte Republican
Party, die ein Erbrecht für sich reklamieren kann, alle paar Jahre den
mächtigsten Präsidenten der Welt zu stellen, wieso die jetzt sich und die
Staatsmacht an einen wildgewordenen Abenteurer, Immobilienmilliardär und
TV-Clown ausliefert. Anders kann man auch nicht erklären, wieso eine AfD mit
einem durch und durch neoliberalen Programm vor allem in der Mittelschicht
Erfolg hat, bei Leuten, die den antisozialen Leitsatz „Jeder ist sich selbst
der Nächste“ schon mit dem Babybrei eingetrichtert bekamen.
Zwar kann man das Versprechen, die Krise des Westens zu
überwinden, ohne an deren Ursachen zu rühren, nur als Betrug bewerten. Doch das
heißt im Umkehrschluss: Den Betrug entlarven und zurückdrängen können wir nur,
wenn wir die Krisenursachen beim Namen nennen und für ihre Beseitigung kämpfen:
-
das kapitalistische Eigentum an den
entscheidenden Produktionsmitteln, als Basis der Bereicherung der Reichen durch
Ausbeutung fremder Arbeitskraft,
-
die Wettbewerbsideologie als Recht der Stärkeren
auf Vernichtung der Schwächeren,
-
den Markt, der alles und sogar den Menschen
selbst zur Ware macht und den Tauschwert vor die Bedürfnisse stellt.
Wenn diese Lehre aus dem Vordringen des Populismus nicht
bald den Nebel aus den Köpfen vertreibt, dann sind die Tage der westlichen
Demokratien gezählt. Barbarei oder Sozialismus heißt die Alternative unserer
Zeit.
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