Montag, 27. Juni 2016

Lehren aus dem Brexit ziehen: Europa von unten stärken



Resolution der Ratsfraktion DIELINKE&Piraten Dortmund,  beschlossen am 27.06.2016

Wie sich am Ergebnis des Referendums in England vom 23.06.2016 zeigte, wird die EU von vielen Menschen als bürokratisches Monstrum wahrgenommen, das unser Leben von oben fremdbestimmt. Diese Wahrnehmung wird verstärkt durch ein brutales Kaputtsparen ganzer Volkswirtschaften; durch zunehmende Ungleichheit der Einkommen, Vermögen und Lebenslagen – nicht nur im Inland, sondern auch europaweit – die als skandalös ungerecht empfunden wird; und durch einen Interessenfilz, der mit dem Kampfruf nach dem „Wettbewerbsstaat“ Gemeinschaftsaufgaben an die Finanzmärkte ausliefert.

Wie Manchester, Birmingham, Glasgow trifft diese elitäre Umverteilung des unten geschaffenen Reichtums nach oben auch Dortmund  besonders hart: Die verfügbaren Einkommen stagnieren hier auf niedrigstem Niveau aller deutschen Großstädte, damit stagnieren auch die Massenkaufkraft und die Einzelhandelsumsätze. Stattdessen erreicht die Exportquote der Dortmunder Unternehmen Rekordhöhen, begünstigt durch kommunale Hitech-Förderung. Die als „Strukturwandel“ beschönigte Verlagerung -zigtausender industrieller Arbeitsplätze in Niedriglohnländer hat die „soziale Stadt“ in einen Reparaturbetrieb für soziale Notstände verwandelt, bürokratisch überreglementiert am Tropf der EU-Fonds hängend.

Wie europaweit so steigt auch in Dortmund die Gefahr, dass die jahrzehntelange Propaganda des „Standortwettbewerbs“ jetzt in der Krise, aufgeladen mit Enttäuschung und Entfremdung der Menschen von „Europa“, umschlägt in aggressive Ablehnung jeglicher höheren Vergemeinschaftung, in Abschottung und Fremdenhass. Aus dem englischen Referendum ziehen wir also die Konsequenz. Ein grundlegender Politikwechsel tut not. Auch und gerade in Deutschland. Auch und gerade in Dortmund:

Schluss jetzt mit dem Kaputtsparen unserer Lebensgrundlagen!

Die von der EU verordnete „Stabilitätspolitik“ vernichtet nicht nur an Europas Peripherie, sondern auch in Deutschland viele tausend Arbeitsplätze und macht Armutsbekämpfung zum vordringlichen Thema der Sozialpolitik. Einer der Haupthebel hierzu müsste die Eindämmung der Erwerbslosigkeit sein. Doch immer noch fehlen den Kommunen die gesetzlichen und finanziellen Spielräume für eine aktive Beschäftigungspolitik, die den kommerziellen Arbeitsmarkt wirksam ergänzen könnte. Umso wichtiger wird es, den städtischen Haushalt und besonders die kommunale Wirtschaftsförderung so umzuschichten, dass möglichst viele beschäftigungswirksame Projekte der Stadtgesellschaft unbürokratisch gefördert werden können.

„Mehr Demokratie wagen!“

1969, als die EU noch nicht mehr als eine Wirtschaftsgemeinschaft sein wollte (EWG), versprach Willy Brandt „mehr Demokratie (zu) wagen“. Heute müssen wir erkennen: Die EU hat den Menschen nicht mehr, sondern weniger demokratische Selbstbestimmung gebracht. Das englische Referendum lehrt uns: Weder die europäischen Institutionen und Regierungen noch Unternehmer und Banker, sondern nur die Menschen selbst können Europa vor dem Rückfall in nationalistisches Gegeneinander retten. Dafür brauchen sie mehr direkte Demokratie auf allen Ebenen. Europa muss von unten auf wachsen.

Das EU-Modell, das Kommunen und Regionen zu Befehlsempfängern und ausführenden Organen der Brüsseler Verordnungen degradiert hat, funktioniert nicht mehr und ist am Ende. Selbstbestimmung der Menschen – Souveränität – muss ab jetzt in den Kommunen anfangen. Es ist eine hohe Aufgabe der Kommunalpolitik, den Stadtbürger*innen die demokratische Mitgestaltung des Gemeinwesens zu erleichtern und sie zu ermuntern, sich in europäische Belange einzumischen.

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