Mittwoch, 12. Oktober 2016

Gregor Gysi an der Seite von Merkel, Gabriel und Draghi: „Wir brauchen die EU.“ – Frage: Wer ist da „wir“?



In der Zeitung „Neues Deutschland“ (12.10.2016) versuchte Gregor Gysi, sich für den Vorsitz der Europäischen Linken zu qualifizieren mit einem weiteren Versuch, die EU zu „retten“ (wörtlich!): Er will weder den Euro abschaffen noch zurück zum „Pickelhaubenstaat“.

Mit dieser raffinierten Fälschung der nationalstaatlichen Wirklichkeit der Bundesrepublik zum preußisch-wilhelminischen Anachronismus täuscht Gysi darüber hinweg, dass wir hier und heute in einer Klassengesellschaft leben, und dass die EU ein Projekt der Herrschenden zur verstärkten Ausbeutung der beherrschten Klassen ist. Und dass dies Herrschaftsprojekt nicht die Konkurrenz zwischen den europäischen Kapitalblöcken aufhebt, nicht aufheben kann. Und dass auch für die EU gilt, was alle Bündnisse zwischen kapitalistischen Staaten kennzeichnet: Sie haben immer nur vorübergehenden Nutzen, ihre Geschäftsgrundlage fällt weg, sobald die Kräfteverhältnisse sich ändern. Dann werden aus Partnern genauso schnell wieder Rivalen.

Die Kräfteverhältnisse ändern sich gerade dramatisch: Die Konstruktion der EU und speziell ihrer Währungseinheit hat zu einer wirtschaftlichen und politischen Übermacht der deutschen Konzerne und Banken in Europa geführt, die den Nachbarn mehr und mehr die Luft abschnürt: Mit Lohndumping erzielt die deutsche Wirtschaft horrende Exportüberschüsse, die bei den anderen als Verschuldung zu Buche schlagen. Gysi findet das anscheinend richtig, er ist gegen die Abschaffung des Euro, weil sie „in Deutschland dazu führen würde, dass die Exporte einbrechen und die Arbeitslosigkeit steigt“!!! Das ist reinste populistische Arbeitgeberpropaganda!

Aber keine Sorge, trotz Gysi’s „Rettungs“versuch ist der Egoismus der kapitalistischen Staaten schon dabei, die deutsch-imperialen EU-Träume zum Scheitern zu bringen. Sorgen müssen wir uns allerdings, was aus dem Scheitern folgt. Sache der Linken ist es, nicht die nationalen Rivalitäten zu verstärken, sondern die Völkerverständigung. Dafür gibt es ein gutes altes Wort, das die Gysi’s nicht mehr kennen wollen: Internationalismus.

„Völkerverständigung“, das meint konkret, dass die Völker – und nicht die Herrschaften – sich über ihre gemeinsame Zukunft verständigen. Genau das ist es ja, was die deutschen Kapitalvertreter nicht erst seit dem Brexit, sondern schon seit der Wahl der Syriza-Regierung in Griechenland umtreibt: die Sorge, dass die Völker Europas ihre eigenen Vorstellungen vom europäischen Zusammenschluss entwickeln, einem Bündnis demokratischer Nationen auf Augenhöhe, das die EU unmöglich macht. Es wäre eigentlich Sache der Europäischen Linken, die Völker darin zu unterstützen und nicht, sie noch fester an das Kapital zu ketten.

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