Nun schon im vierten Jahr erstellt die Dortmunder
Stadtverwaltung neben dem gesetzlich vorgeschriebenen Haushaltsplan ein
propagandistisch eingefärbtes Zahlenwerk, das sich „Wirkungsorientierter
Haushalt“ (WOH) nennt und den Bürgern die Schwerpunkte der Stadtpolitik nahe
bringen soll. Ausgeheckt haben dies Verfahren neoliberale Thinktanks wie die
Bertelsmann-Stiftung. In der Dortmunder Version umfasst es sechs Zielfelder:
Wirtschaft und Beschäftigung, Kinder-Jugend-Bildung, Sicherheit und Ordnung,
Soziales, Umwelt, Lebensqualität. Mit insgesamt 18 „strategischen Zielen“ von a
wie „attraktiver Unternehmensstandort“ bis z wie „zivilgesellschaftliches
Engagement“. Zwar musste die Verwaltung schon vorab einräumen, dass sie die Zielerreichung
nur „bedingt“ beeinflussen kann: Von 65 Kennzahlen, an denen sie die Erfolge
messen will, sind nur elf auf kommunaler Ebene steuerbar. Dennoch legt der
neueste Zwischenbericht über den WOH 2015 den historischen Bankrott der
heutigen Kommunalpolitik bloß.
Der weitaus größte Brocken der „strategisch“ eingesetzten Haushaltsmittel
(202 Millionen €, rund ein Viertel von insgesamt 802 Millionen des WOH) soll dem
Ziel dienen: „Menschen in Dortmund werden
vor Armut und deren Folgen geschützt.“ Hinter der großmäuligen Behauptung marschieren
alle staatlichen Hilfen zum Lebensunterhalt für Arbeitslose, Alte, Menschen mit
Behinderungen und Zuwanderer auf. Allesamt durch Bundes- und Landesgesetze
genauestens reglementiert, schützt keines dieser Almosen wirklich vor Armut,
von einem menschenwürdigen Leben gar nicht zu sprechen.
Die auf das Soziale bezogenen Kennzahlen beweisen zudem die
stetig sich verschlimmernde soziale Schieflage in unserer Gesellschaft. Der
Anteil der ALG-II-Beziehenden an Dortmunds Wohnbevölkerung wächst von Jahr zu
Jahr, und zwar schneller als die Einwohnerzahl (2012: 173 auf 1.000 – 2013: 175
auf 1.000 – 2014: 178 auf 1.000 – 2015: 180 auf 1.000). Ebenso der Anteil der
Aufstocker an den sozialversichert Beschäftigten. Die Altersarmut, ablesbar am
Anteil der Bezieher von Grundsicherung unter den Jahrgängen ab 65 aufwärts, ist
binnen Jahresfrist von 63:1.000 auf 69:1.000 angestiegen.
Das Soziale liegt aber nur an zweiter Stelle im WOH und wird
bei weitem übertroffen vom Zielfeld Kinder-Jugend-Bildung (345 Millionen €).
Auch hier schmückt sich die Stadt mit fremden Federn. Der Ressourceneinsatz besteht
größtenteils aus – weit ungenügenden – Landeszuweisungen, bei entsprechend strengen
gesetzlichen Vorgaben zur Mittelverwendung.
Die städtischen Ziele auf dem Feld Kinder-Jugend-Bildung versprechen
blühende Landschaften: „Jedem Kind steht
eine bedarfsgerechte Betreuungsmöglichkeit zur Verfügung.“ – „Die Entwicklung
von Kindern und Jugendlichen wird in Ausführung des gesetzlichen Auftrages
konsequent gefördert und vor negativen Einflüssen geschützt.“ – „Jugendliche in
Dortmund erreichen einen Schulabschluss und gelangen von der Schule/Hochschule
reibungslos in das Arbeitsleben.“ Hält das erste Versprechen der Nachprüfung
noch mit Einschränkungen stand, muss das zweite mit vielen Fragezeichen versehen
werden, so steht das dritte in krassem Gegensatz zur Realität: Dortmund hat
unter allen Großstädten in NRW seit Jahren unverändert die höchste
Schulabbrecherquote, und jährlich finden Hunderte Schulabgänger nicht
reibungslos, sondern überhaupt nicht ins Arbeitsleben.
Unter „ferner liefen“ folgt das Zielfeld Wirtschaft und
Beschäftigung. Hierfür wurden vom gesamten WOH 2015 nur 3,3 Prozent aufgewendet
(26 Millionen €). Daran bestätigt sich einmal mehr, was wir seit eh und je
kritisieren: Den seit zehn Jahren ungebrochenen Zuwachs an sozialversichert Beschäftigten
überlässt die Kommune fast ganz ohne eigenes finanzielles Zutun den „Marktkräften“.
Die Folgen zeigen sich einerseits im Überhandnehmen von Teilzeit- und
Leiharbeit, anderseits im Übergewicht hoch qualifizierter Spezialistenjobs
gegenüber Einfacharbeit. Dieser unsozialen Schieflage, Auswuchs auch einer jahrzehntelangen
neoliberalen Wirtschaftsförderung, kann jetzt nur noch mit hohem Mitteleinsatz
für öffentlich geförderte Beschäftigung gegengesteuert werden. Zwar scheint
diese Einsicht allmählich auch einigen Wirtschaftsförderern zu dämmern, doch
bis zu einem Umsteuern der Kommunalfinanzen ist der Weg noch weit.
Schließlich bildet das Schlusslicht der kommunalen
Strategie, wie könnte es anders sein unter dem Diktat der Wachstumsideologie: Umwelt-
und Klimaschutz. Der in Dortmund hierfür zuständige Dezernent ist sich als einziger
im ganzen Verwaltungsvorstand zu schade für verlogene Schönrednerei und Verschweigen
von Fehlentwicklungen, als einziger spart er nicht mit kritischen Bewertungen.
Was für ein Offenbarungseid der neoliberal gewendeten SPD,
in ihrer „Herzkammer“ Dortmund!
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