Seminar der
Ratsfraktion DieLINKE&Piraten Dortmund, März 2017, 3.Teil
Wie schon dargestellt, hat das NKF Minister Schäubles
„schwarze Null“ zum höchsten Gott
der Kommunalpolitik erhoben. Diesem Gott
zu Ehren hat der Landes-Gesetzgeber einen komplizierten Götzenkult aufgebaut. De
facto steht die „schwarze Null“ sogar höher als das Grundgesetz. Sie hat die
Macht, hartnäckige Sünder gegen sie mit dem Entzug der grundgesetzlich
garantierten kommunalen Selbstverwaltung zu bestrafen.
Die Gemeindeordnung
NRW bestimmt (§ 75 Abs.2): „Der Haushalt muss in jedem
Jahr in Planung und Rechnung ausgeglichen sein.“ Wenn eine Gemeinde dagegen verstößt, indem
sie ihren Haushalt mit einem Minus abschließt, das bestimmte Grenzen übersteigt,
muss sie den Haushalt bei der Aufsichtsbehörde, der Bezirksregierung zur Genehmigung vorlegen. Die kann ihr dann
Auflagen oder Bedingungen erteilen und muss ein „Haushaltssicherungskonzept“ anfordern.
In diesem Fall muss
die betroffene Kommune einen zusätzlichen Plan aufstellen und genehmigen lassen,
wie sie innerhalb von zehn Jahren einen Ausgleich zwischen Einnahmen und
Ausgaben erreichen will.
Dabei ist die
Aufsichtsbehörde grundsätzlich darauf beschränkt, eine Reduzierung der Mittel
für freiwillige Leistungen anzumahnen
(in Dortmund waren das z.B. Ende 2014: 164 Mio € von 2 Mrd € Gesamtvolumen des Haushalts);
es ist ihr jedoch untersagt, konkrete Maßnahmen oder Projekte zur Einsparung
vorzuschreiben. Alle Zahlungen aus gesetzlichen Pflichtaufgaben sind weiter zu
führen und ebenso alle freiwilligen Leistungen, zu denen die Stadt sich
vertraglich verpflichtet hat. Zulässige Maßnahmen zur Haushaltssicherung sind
auch Investitionen, die in späteren Jahren Erträge erwarten lassen. Das
Gerücht, dann würden Arnsberger Bürokraten das Dortmunder Theater schließen,
malt also einen Teufel an die Wand, den es nicht gibt.
Wie man sieht, kommt
das NKF auf dieser Stufe noch ohne krasse Eingriffe in die kommunale
Selbstverwaltung aus. Erst wenn sich trotz Haushaltssicherungskonzeptes die
Finanzlage der Stadt nicht nachhaltig verbessert oder gar weiter
verschlechtert, drohen härtere Eingriffe – bis hin zum berüchtigten staatlichen
„Sparkommissar“ (siehe unten).
Selbstverständlich
ändert das Haushaltssicherungsregime des NKF überhaupt nichts an der
chronischen, politisch gewollten Unterfinanzierung der Kommunen (siehe Teil 1),
kann daher auch nicht verhindern, dass künftige Fehlbeträge die Stadt in die
Überschuldung treiben. Vielmehr ist sein einziger, so auch gewollter Effekt:
die Verschärfung der Austeritätspolitik.
Die Dortmunder Verwaltung
verfolgt allerdings die Taktik, mit
freiwilligen Kürzungsrunden dem staatlich verordneten Zwangssparen vorauseilend
zuvor zu kommen. Auf die Art hat sie seit 2009 über 200 Mio € außerplanmäßig eingespart
– ohne damit die alljährlichen Defizite nachhaltig senken zu können. Dass Stadtspitzen
lieber eigenhändig die Axt schwingen, lässt sich aus dem marktwirtschaftlichen
Kalkül dieser beamteten „Konzernmanager“ erklären: Natürlich wissen sie so gut
wie wir, dass es in einer Marktwirtschaft völlig ausgeschlossen ist,
verlässlich auf zehn Jahre hinaus zu planen. Da sie über den Tellerrand ihrer
jährlichen Haushaltspläne und der nächsten Kommunalwahl nicht hinaus sehen,
wirtschaften sie lieber von der Hand in den Mund und vermeiden längere
Festlegungen, für die sie die Aufsichtsbehörde zur Rechenschaft ziehen könnte.
+ + +
Weil immer mehr Kommunen mit dem Eigenkapital schon nahe
null oder im Minus stehen und somit nach der Gemeindeordnung überschuldet sind, musste der
Landesgesetzgeber über das NKF hinaus einen neuen „Rettungsring“ erfinden: den Stärkungspakt
Stadtfinanzen. Danach müssen
überschuldete Kommunen einen „Haushaltssanierungsplan“
aufzustellen, mit dem sie in jährlichen Stufen binnen fünf Jahren den Haushalt ausgleichen
wollen. Dafür bekommen sie einige zusätzliche Haushaltsmittel. Die Erfüllung
des Sanierungsplans wird von der Aufsichtsbehörde laufend überwacht. Werden die
Planziele nicht erreicht, kann der Innenminister des Landes einen Beauftragten bestellen,
der an Stelle des Gemeinderates alle finanziell relevanten Beschlüsse für die Gemeinde
fasst („Sparkommissar“).
Als „stärkungs“bedürftig nach diesem
Pakt gelten in NRW mittlerweile (März 2016) 71 Städte und Gemeinden. Bis 2020
sollen sie ihre Haushalte ausgeglichen haben. Dafür bekommen sie insgesamt rund
7 Mrd €, den größten Teil aus der Landeskasse, einen kleineren von anderen
Kommunen in NRW, die
finanziell noch nicht ganz so schlecht dastehen.
Der Stärkungspakt
bekommt inzwischen Kritik von allen Seiten. Durch die
Sparauflagen werden diese Kommunen gezwungen, Steuern zu erhöhen und
freiwillige Leistungen, z.B. Kulturförderung auf null zu kürzen, womit sie noch
unattraktiver werden und Wirtschaftskraft verlieren. Die Sätze für
Gewerbesteuer und Grundsteuer, die beiden wichtigsten Einnahmequellen, welche
die Kommunen selbst festlegen können, sind in NRW bundesweit die höchsten. Seit
Beginn des Stärkungspaktes (2011) steigen sie permanent.
Umstritten
sind gegenwärtig die möglichen Auswirkungen der ins Grundgesetz aufgenommenen
(Staats-) Schuldenbremse ab 2020. Dem Buchstaben des Gesetzes nach gilt
sie nicht für die Kommunen. Doch wenn die Rechtsauslegung der EU sich durchsetzt,
wird es nicht lange dauern, bis NRW den Gemeinden das Schuldenmachen unter
Hinweis auf die Schuldenbremse erschwert. Das würde das Sparen und Streichen an
den kommunalen Leistungen noch weiter verschärfen.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen