Dienstag, 7. März 2017

Austerität vor Lebensqualität: „Schwarze Null“ als höchstes Ziel des „Neuen Kommunalen Finanzmanagements“ (NKF)

Seminar der Ratsfraktion DieLINKE&Piraten Dortmund, März 2017, 3.Teil

Wie schon dargestellt, hat das NKF Minister Schäubles „schwarze Null“ zum höchsten Gott der Kommunalpolitik erhoben. Diesem Gott zu Ehren hat der Landes-Gesetzgeber einen komplizierten Götzenkult aufgebaut. De facto steht die „schwarze Null“ sogar höher als das Grundgesetz. Sie hat die Macht, hartnäckige Sünder gegen sie mit dem Entzug der grundgesetzlich garantierten kommunalen Selbstverwaltung zu bestrafen.

Die Gemeindeordnung NRW bestimmt (§ 75 Abs.2): Der Haushalt muss in jedem Jahr in Planung und Rechnung ausgeglichen sein.“ Wenn eine Gemeinde dagegen verstößt, indem sie ihren Haushalt mit einem Minus abschließt, das bestimmte Grenzen übersteigt, muss sie den Haushalt bei der Aufsichtsbehörde, der Bezirksregierung zur Genehmigung vorlegen. Die kann ihr dann Auflagen oder Bedingungen erteilen und muss ein „Haushaltssicherungskonzept“ anfordern.

In diesem Fall muss die betroffene Kommune einen zusätzlichen Plan aufstellen und genehmigen lassen, wie sie innerhalb von zehn Jahren einen Ausgleich zwischen Einnahmen und Ausgaben erreichen will.

Dabei ist die Aufsichtsbehörde grundsätzlich darauf beschränkt, eine Reduzierung der Mittel für freiwillige Leistungen anzumahnen (in Dortmund waren das z.B. Ende 2014: 164 Mio € von 2 Mrd € Gesamtvolumen des Haushalts); es ist ihr jedoch untersagt, konkrete Maßnahmen oder Projekte zur Einsparung vorzuschreiben. Alle Zahlungen aus gesetzlichen Pflichtaufgaben sind weiter zu führen und ebenso alle freiwilligen Leistungen, zu denen die Stadt sich vertraglich verpflichtet hat. Zulässige Maßnahmen zur Haushaltssicherung sind auch Investitionen, die in späteren Jahren Erträge erwarten lassen. Das Gerücht, dann würden Arnsberger Bürokraten das Dortmunder Theater schließen, malt also einen Teufel an die Wand, den es nicht gibt.

Wie man sieht, kommt das NKF auf dieser Stufe noch ohne krasse Eingriffe in die kommunale Selbstverwaltung aus. Erst wenn sich trotz Haushaltssicherungskonzeptes die Finanzlage der Stadt nicht nachhaltig verbessert oder gar weiter verschlechtert, drohen härtere Eingriffe – bis hin zum berüchtigten staatlichen „Sparkommissar“ (siehe unten).

Selbstverständlich ändert das Haushaltssicherungsregime des NKF überhaupt nichts an der chronischen, politisch gewollten Unterfinanzierung der Kommunen (siehe Teil 1), kann daher auch nicht verhindern, dass künftige Fehlbeträge die Stadt in die Überschuldung treiben. Vielmehr ist sein einziger, so auch gewollter Effekt: die Verschärfung der Austeritätspolitik.

Die Dortmunder Verwaltung  verfolgt allerdings die Taktik, mit freiwilligen Kürzungsrunden dem staatlich verordneten Zwangssparen vorauseilend zuvor zu kommen. Auf die Art hat sie seit 2009 über 200 Mio € außerplanmäßig eingespart – ohne damit die alljährlichen Defizite nachhaltig senken zu können. Dass Stadtspitzen lieber eigenhändig die Axt schwingen, lässt sich aus dem marktwirtschaftlichen Kalkül dieser beamteten „Konzernmanager“ erklären: Natürlich wissen sie so gut wie wir, dass es in einer Marktwirtschaft völlig ausgeschlossen ist, verlässlich auf zehn Jahre hinaus zu planen. Da sie über den Tellerrand ihrer jährlichen Haushaltspläne und der nächsten Kommunalwahl nicht hinaus sehen, wirtschaften sie lieber von der Hand in den Mund und vermeiden längere Festlegungen, für die sie die Aufsichtsbehörde zur Rechenschaft ziehen könnte.
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Weil immer mehr Kommunen mit dem Eigenkapital schon nahe null oder im Minus stehen und somit nach der Gemeindeordnung überschuldet sind, musste der Landesgesetzgeber über das NKF hinaus einen neuen „Rettungsring“ erfinden: den Stärkungspakt Stadtfinanzen. Danach müssen überschuldete Kommunen einen „Haushaltssanierungsplan“ aufzustellen, mit dem sie in jährlichen Stufen binnen fünf Jahren den Haushalt ausgleichen wollen. Dafür bekommen sie einige zusätzliche Haushaltsmittel. Die Erfüllung des Sanierungsplans wird von der Aufsichtsbehörde laufend überwacht. Werden die Planziele nicht erreicht, kann der Innenminister des Landes einen Beauftragten bestellen, der an Stelle des Gemeinderates alle finanziell relevanten Beschlüsse für die Gemeinde fasst („Sparkommissar“).

Als „stärkungs“bedürftig nach diesem Pakt gelten in NRW mittlerweile (März 2016) 71 Städte und Gemeinden. Bis 2020 sollen sie ihre Haushalte ausgeglichen haben. Dafür bekommen sie insgesamt rund 7 Mrd €, den größten Teil aus der Landeskasse, einen kleineren von anderen Kommunen in NRW, die finanziell noch nicht ganz so schlecht dastehen.

Der Stärkungspakt bekommt inzwischen Kritik von allen Seiten. Durch die Sparauflagen werden diese Kommunen gezwungen, Steuern zu erhöhen und freiwillige Leistungen, z.B. Kulturförderung auf null zu kürzen, womit sie noch unattraktiver werden und Wirtschaftskraft verlieren. Die Sätze für Gewerbesteuer und Grundsteuer, die beiden wichtigsten Einnahmequellen, welche die Kommunen selbst festlegen können, sind in NRW bundesweit die höchsten. Seit Beginn des Stärkungspaktes (2011) steigen sie permanent. 


Umstritten sind gegenwärtig die möglichen Auswirkungen der ins Grundgesetz aufgenommenen (Staats-) Schuldenbremse ab 2020. Dem Buchstaben des Gesetzes nach gilt sie nicht für die Kommunen. Doch wenn die Rechtsauslegung der EU sich durchsetzt, wird es nicht lange dauern, bis NRW den Gemeinden das Schuldenmachen unter Hinweis auf die Schuldenbremse erschwert. Das würde das Sparen und Streichen an den kommunalen Leistungen noch weiter verschärfen. 

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