Zutreffend an der Assoziation des Masterplans mit dem
Codewort „Industrie 4.0“ ist, dass die Vernetzung industrieller Prozesse über
das Internet einen neuen technologischen Schub auslösen kann, eine enorme
Weiterentwicklung der Produktivkräfte der kapitalistischen Wirtschaft. Das
Bundesministerium für Wirtschaft und Energie erklärt dazu auf seiner website:
„Wenn Bauteile
eigenständig mit der Produktionsanlage kommunizieren und bei Bedarf selbst eine
Reparatur veranlassen oder Material nachbestellen, wenn Menschen, Maschinen und
industrielle Prozesse sich intelligent vernetzen, dann sprechen wir von
Industrie 4.0. Nach Dampfmaschine, Fließband und Computer stehen wir nun mit „intelligenten
Fabriken“ vor der vierten industriellen Revolution.“
In der Industrie 4.0 verzahnt sich die Produktion mit neuester
Informations- und Kommunikationstechnik. Damit soll es möglich werden,
Einzelstücke nach individuellen Kundenwünschen in höchster Qualität zum Preis
von Massenware herzustellen. Im Kern geht es darum, die Produktion von Gütern
und Dienstleistungen mit dem Internet zu verbinden, und zwar in einem Netzwerk,
das es Maschinen erlaubt, am Produkt angebrachte Produktionsanweisungen auszulesen
und selbständig durchzuführen, ohne menschlichen Eingriff miteinander zu
kommunizieren, also in einem „Internet der Dinge“. Technische Bausteine hierfür
sind „intelligente“ (? – das meint in
bestimmten Grenzen lernfähige) „cyber-physische Systeme“ wie z.B.
Bearbeitungszentren, Roboter, Logistiksysteme usw. Industrie 4.0 erfasst den
Produktzyklus über dessen ganze Lebensdauer, von der Entwicklung über die
Fertigung, Nutzung und Wartung bis zum Recycling.
Noch einmal die Bundesregierung: „In
der Fabrik der Industrie 4.0 koordinieren intelligente Maschinen selbstständig
Fertigungsprozesse; Service-Roboter unterstützen Menschen in der Montage bei
schweren Arbeiten, fahrerlose Transportfahrzeuge kümmern sich eigenständig um
Logistik und Materialfluss.
Vernetzung findet
aber nicht nur innerhalb von „intelligenten Fabriken" statt, sondern über
Unternehmens- und Branchengrenzen hinweg – zwischen verschiedenen Akteuren der
Wirtschaft: Vom mittelständischen Logistikunternehmen über spezialisierte
technische Dienstleister bis zu kreativen Start-ups.“ (http://www.bmwi.de/Redaktion/DE/Dossier/industrie-40.html,
abgerufen am 10.04.2017)
Um
die Tragweite und die sozialen Folgen dieses technologischen Schubs für unser künftiges
Leben abschätzen zu können, müssen wir uns zunächst klar machen, warum, mit
welchem Ziel und in welchen Grenzen kapitalistische Unternehmer technische
Innovationen für die Industrieproduktion nutzen. Es ist ja für sie nicht
selbstverständlich, jede sinnvolle Erfindung aufzugreifen und zu verwerten. Ihre
Konkurrenz am Markt zwingt sie, preisgünstigere und/oder bessere Produkte
herzustellen. So mahnte Kanzlerin Merkel vor dem Weltwirtschaftsforum in Davos:
„Wir müssen die Verschmelzung der Welt
des Internets mit der Welt der industriellen Produktion schnell bewältigen,
weil uns sonst diejenigen, die im digitalen Bereich führend sind, die
industrielle Produktion wegnehmen werden.“
Da
jedoch technische Neuerungen in den Unternehmen regelmäßig den Einsatz
zusätzlichen Kapitals erfordern, sind Kapitalisten dazu nur bereit, soweit sich
das für sie „rechnet“, das heißt: wenn der erwartete Zusatznutzen die Kapitalkosten
übersteigt. Ihre Technikbegeisterung wird also von ihrer Marktposition, den
Investitionsstrategien ihrer Konkurrenten und der aktuellen Konjunktur geleitet
und zugleich begrenzt. Das stärkste Motiv dabei ist immer, durch Einsatz neuer
Technik die menschliche Arbeit produktiver zu machen und so die Lohnstückkosten
zu senken.
Das
gilt generell für alle technischen Umwälzungen der Produktion. Nachdem der
englische Ökonom Adam Smith vor mehr als 200 Jahren nachgewiesen hatte, dass nur
die lebendige Arbeit neue Werte schafft und Maschinen nur den Wert der Arbeit,
die zu ihrer Herstellung nötig war, pro rata auf die Produkte übertragen, leitete
Karl Marx daraus eine allgemeine Tendenz der kapitalistischen Wirtschaft ab, durch
Anhäufung von immer noch mehr „totem“ (Anlagen-) Kapital und fortschreitender
Einsparung „lebendiger“ Arbeit ihre eigene Grundlage, die Mehrwertproduktion zu
untergraben. Er nannte dies den „tendenziellen Fall der Profitrate“. – Allerdings erkannte schon Marx auch verschiedene
Gegentendenzen und bewusste Strategien, mit denen die Kapitalisten dem Fall der
Profitrate entgegen wirken, sie stabilisieren oder zeitweilig sogar enorm
steigern können. Eine prominente Stelle darin kommt immer der Senkung der
Lohnkosten durch Intensivierung der Ausbeutung der Arbeiter zu. Wir werden noch
sehen, welche Rolle dabei die Informationstechnologie „Industrie 4.0“ spielt, auch
in Dortmund.
Alle
früheren großtechnischen Revolutionen wälzten die kapitalistische Wirtschaft
auf doppelte Weise um. Nicht nur mit neuen Energiesystemen – Dampfkraft,
Elektrizität, Verbrennungsmotor, Atomkraft – neuen Produktionsverfahren und
Transportmitteln senkten sie die Produktionskosten der Unternehmen, sondern
zugleich fluteten sie den Markt jeweils mit gewaltigen Mengen neuartiger Güter
des Massenkonsums, ja sie erzeugten geradezu ihre eigenen neuen Märkte und
konnten auch so wirtschaftliche Depressionen überwinden und die
Kapitalverwertung in vorher ungeahnte Dimensionen steigern.
Ob
bzw. wieweit dies auch für die jetzt in Gang kommende Welle der Digitalisierung
via Internet zutrifft, werden wir in den nächsten Folgen dieser Reihe
untersuchen.
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