Nun liegt sie also vor, die "tolle" Vorlage, die
sich die Industrie- und Handelskammer wünschte, damit der Stadtrat am 1.Juni
beschließen kann, aus unserer Stadt eine "Smart City Dortmund" zu
machen. Der Normal-Dortmunder schüttelt verständnislos den Kopf und schaut
vorsichtshalber im Duden nach, was das neue Modewort der Marketingstrategen
bedeutet: clever, gewitzt, listig, raffiniert, schlau, trickreich, gewieft,
geschäftstüchtig, gerissen, schlitzohrig, durchtrieben, ausgekocht. - Und so
soll unser Dortmund werden???
Smart Meter, ja den kennen wir schon, den
"intelligenten" Stromzähler, der bis 2020 allen Stromkunden
aufgezwungen wird, weil er angeblich die Abrechnung optimieren soll, aber dermaßen
"intelligent" ist, dass der Durchschnittshaushalt bis zu 40 € im Jahr
mehr dafür berappen muss.
Smart Home, ja auch davon haben wir schon gelesen: der
selbstfahrende Staubsauger und der Kühlschrank, der automatisch die Milch beim
Supermarkt nachbestellen kann.
Aber nun gleich eine ganze smarte Stadt?? Vermutlich kommt
von den aufgelisteten Wortbedeutungen "geschäftstüchtig" den Motiven
der Urheber am nächsten. Aber wollen wir in so einer Stadt leben? Schauen wir
genauer hin, was unsere smarten Politiker da "ausgekocht" haben.
Zitat aus der Ratsvorlage: "Gemeinsam mit Wissenschaft, Wirtschaft und Zivilgesellschaft
sollen Projekte zur intelligenten und vernetzten Stadtentwicklung initiiert und
umgesetzt werden, die die Stadt zum Innovationslabor für neue Konzepte und
Projekte machen und insbesondere den Norden Dortmunds zum "Schaufenster
Smart City" für die Gesamtstadt und die Region werden lassen."
Aha, Innovationslabor, "erprobt
die smarte Nutzung von innovativen Informations- und
Kommunikationstechnologien." Aha, Schaufenster, für "Interaktionen zur Standortstärkung".
Aha, durch "Kooperationen und
Investitionen der Partner/innen, die sich auf Initiative der Stadt, der
Industrie- und Handelskammer zu Dortmund, der Leitstelle Energiewende sowie der
CISCO GmbH in der "Allianz Smart City Dortmund - Wir.Machen.Zukunft"
zusammengefunden haben." Alles klar oder?
- Moment mal, CISCO, das ist doch einer dieser
US-amerikanischen Großkonzerne für die weltweite Sammlung und Verwertung von
"Big Data" mit engsten Verbindungen zu den US-Geheimdiensten! Und die
nun in der "Allianz" mit unserer Stadtspitze?? Damit werden wir
Dortmunder-innen nicht nur Teile der technischen Infrastruktur der Stadt,
sondern gläserne Bürger für allen möglichen und unerlaubten Datenmissbrauch.
Dem stimmt der Stadtrat zu???
Bei der Gründung der Allianz sind ihr sogleich an die 70
namhafte Dortmunder Unternehmen beigetreten. Somit kann kein Zweifel aufkommen,
wo der Schwerpunkt der Allianz liegt: "Smart Economy" bezeichnet die
Steigerung der wirtschaftlichen Produktivität. Private Unternehmer wollen durch
Vernetzung Synergien in der Vermarktung der eigenen Produkte und
Dienstleistungen herstellen. Smarte Vorzeigeprojekte werden von der EU, Bundes-
und Landesregierung gefördert mit dem Ziel, die EU global wettbewerbsfähiger zu
machen. Darauf setzen auch die Dortmunder Wirtschaft und Verwaltung. Cisco
Systems präsentiert unter dem Titel „Internet of Everything“ durch Kommunikationsnetze
steuerbare Märkte, von Energienetzwerken über Verkehr bis zum Einkauf im
Supermarkt.
Ein zentrales Merkmal smarter Stadtpolitik ist die „Smart
Governance“. Denn Fundament der Smart Economy ist das „Humankapital“: Die
Bürger, „Smart People“, werden als besonders kreativ, flexibel, sozial
heterogen und vernetzt dargestellt. Smart City setzt daher eine besondere Form
der Zivilgesellschaft voraus und steht in Verbindung mit Begriffen wie der „Creative
Class“ und der "Wissensgesellschaft".
Hier stellt sich allerdings die Frage, welche Bewohner der
Stadt nicht in der Smart City mitgedacht werden. Von der Partizipation
ausgeschlossen sind alle diejenigen Teile der Stadtgesellschaft, die keinen
Zugang zur digitalen Kommunikationstechnologie haben. Obgleich die "Smart
City Dortmund" angeblich der Stadtbevölkerung mehr Mitsprachemöglichkeiten
einräumen soll, fällt auf, dass Stimmen, die grundlegende Kritik an
neoliberaler Stadtentwicklung äußern, im Gründungsprozess nicht vorkommen, also
wohl nicht zu den "Smart People" zählen. Soweit Bürgerbeteiligung
vorgesehen ist, beschränkt sie sich anscheinend darauf, die Akzeptanz für die
von den "oberen Zehntausend" beschlossenen Maßnahmen zu organisieren.
Dass Linke & Piraten sich einer weiteren Privatisierung
öffentlicher Räume, Gemeingüter und Infrastrukturen entgegenstellen,
Public-private-Partnerships ebenso ablehnen wie Verdrängung von Mieter-innen
durch energetische Modernisierung, Ausweitung polizeilicher Überwachung und
Repression, ist Konsens in unserer Ratsfraktion.
Eins ist für uns aber auch klar: Pauschale Technik- und
Fortschrittsfeindlichkeit kann nicht unser Ding sein. Schließlich liegt im
technologischen Fortschritt auch ein Potenzial für gesellschaftlichen
Fortschritt. Die Digitalisierung sollte in jedem Fall als Thema aufgegriffen
werden.
Eine intelligente Stadtpolitik von links einzufordern kann
aber nur heißen, dass Digitalisierung städtischer Infrastrukturen mit ihrer
Vergesellschaftung und Demokratisierung einhergeht. Statt in Expertenteams über
rein technikzentrierte Innovationen zu fachsimpeln, müssen wir die
Auseinandersetzung suchen, wem eigentlich die Stadt und ihre Infrastrukturen
gehören, und wer unter welchen Voraussetzungen an stadtpolitischen
Entscheidungen teilhaben kann.
Also: Stadt für alle, die in ihr leben.
Das wäre klug, aber nicht smart.