Freitag, 7. Juli 2017

Emmanuel Macron – ein Präsident aus der post-demokratischen Retorte

Nach der Wahl zur französischen Nationalversammlung las ich auf den NachDenkSeiten die folgende Bewertung:
„Macron als Beweis für die Erneuerungsfähigkeit der westlichen Demokratie zu feiern (wie es die deutschen Leitmedien tun) ist grotesk. Macron ist kein Symbol für die Erneuerung der Demokratie, er ist ein Symbol für die Postdemokratie, in welcher die herrschenden Eliten offenbar nach Belieben ein demokratisches Schmierentheater inszenieren können." 
Würde Macron nicht für eine entschieden wirtschaftsliberale Politik stehen, gäbe es kaum diese mediale Lobhudelei über ihn. Was bei Trump zurecht scharf kritisiert wird, seine Kumpanei mit den Superreichen, wird bei Macron einfach verschwiegen: Er ist ein Geschöpf der französischen Finanzoligarchie.

Bevor ich das in zwei Fortsetzungen mit Fakten über seinen Weg ins Präsidentenamt und seine Verflechtungen mit dem französischen Großkapital belege, versuche ich hier zunächst eine summarische Einschätzung der Chancen und Risiken seiner Präsidentschaft.

Wirtschaftspolitik: 
In den vergangenen drei Jahren lag Frankreichs Wirtschaftswachstum deutlich unter dem der Eurozone. Die französischen Staatsschulden belaufen sich mittlerweile auf knapp 100% des BIP. Macron will Frankreichs Wachstum durch wirtschaftsliberale Maßnahmen wieder in Schwung bringen. Er fordert einen Abbau von Regulierungen für Unternehmen und möchte das Arbeitsrecht auf allgemeine Normen beschränken. Firmen sollen über alle wesentlichen Punkte der Arbeitsverhältnisse, von den Löhnen bis zur Arbeitszeit, selbst verhandeln dürfen. Die 35-Stunden-Woche, die vielen Franzosen sehr wichtig ist, würde dadurch aufgeweicht, aber nicht pauschal abgeschafft. An dieses heiße Eisen traut er sich (noch?) nicht ran.

Arbeitsmarkt:
Frankreichs Arbeitslosenquote liegt mit über zehn Prozent doppelt so hoch wie die deutsche, die Jugendarbeitslosigkeit sogar bei 24 Prozent; Viele junge Leute haben aufgrund schlechter Ausbildung nur geringe Chancen am Arbeitsmarkt und müssen sich oft von einem befristeten Job zum nächsten hangeln. Macron will die Ausbildung verbessern.
Arbeitslosenunterstützung fordert Macron auch für Selbstständige und Freiberufler sowie für Arbeitnehmer, die selbst kündigen. Sie soll jedoch bei Ablehnung „zumutbarer“ Arbeitsangebote oder fehlendem Engagement bei der Arbeitssuche entzogen werden. Dies hat er offen von Schröders Hartz-Gesetzen abgeschrieben.

Europapolitik
Macron gibt sich als Mann, der die europäische Integration vorantreiben will und tritt verbal für eine Demokratisierung der EU ein. Schon als Wirtschaftsminister (2014 bis 2016) forderte er mehrfach einen gemeinsamen Wirtschafts- und Finanzminister für die ganze EU.
Allerdings plädiert er auch für gemeinsame Institutionen der Eurozone. Er fordert ein eigenes Budget der Eurozone für Investitionen, ein gesondertes Parlament der Eurozone und einen Wirtschafts- und Finanzminister der Eurozone. Mehrfach sprach er sich für die Einführung von Eurobonds aus.
Eine solche Weiterentwicklung der Währungsunion zur Transferunion, mit Euro-Anleihen und  Vergemeinschaftung der Staatsschulden wird von der deutschen Regierung heftig bekämpft.
Diese mahnt stattdessen verstärkte Anstrengungen der französischen Politik an, die eigene Wirtschaft „wettbewerbsfähig“ zu machen. Umgekehrt bezeichnete Macron Deutschlands Exportüberschuss als „nicht mehr tragbar“. Noch als Wirtschaftsminister unter Hollande forderte Macron von Deutschland ein Programm über 50 Milliarden Euro zur Belebung der Wirtschaft in der Eurozone. CDU-Politiker wiesen die Forderung empört zurück.

Fazit:
Die von unseren Leitmedien hochgejubelte Legende, Macron sei der junge, unbelastete Nobody, der von unten und von außen kommend das Parteien-Establishment mit neuen, unkonventionellen Ideen aufmischt, ist eine bewußte, kampagnenmäßig inszenierte Fälschung. Deren Zweck ist, dem Volk die alten Ladenhüter neoliberaler Politik, die sich überall auf der Welt immer mehr blamiert, nochmal als neu verkaufen zu können.

Ob Macron damit Erfolg hat, entscheidet sich an zwei Konfliktlinien:

  1. Kann er die manifeste außerparlamentarische Gegenwehr der Bevölkerung und vor allem der Gewerkschaft CGT brechen und das angekündigte Notverordnungsregime durchziehen, dann könnte sein Austeritäts- und Deregulierungskurs zu einer gewissen zeitweiligen Belebung der Wirtschaft führen, die sich mit steigenden Wachstumsraten, verringerter Jugendarbeitslosigkeit u.a. als Erfolg darstellen ließe.
  2. Die Chancen dafür werden aber nicht nur von den Klassenkämpfen im Inneren, sondern auch vom übermächtigen Druck des deutschen Nachbarn begrenzt. Hier wird es entscheidend darauf ankommen, ob Macron – evtl. zusammen mit anderen südeuropäischen Verbündeten – gewisse deutsche Zugeständnisse zur Verminderung der deutschen Exportüberschüsse und zum Umbau der EU in eine Transferunion erringen kann. Das wäre nach der deutschen Bundestagswahl im Herbst nicht ganz ausgeschlossen, weil auch Merkel u.Cie. wissen und fürchten müssen: Scheitert Macron, dann kommt in Frankreich spätestens in fünf Jahren Le Pen und wird Europa mit den herkömmlichen demokratischen Mitteln unbeherrschbar.

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