Andrea Ypsilanti, bis 2009 Landesvorsitzende der hessischen SPD und deren Fraktionsvorsitzende im hessischen Landtag, heute Mitbegründerin und Vorstandsmitglied des "Instituts Solidarische Moderne" (ISM e.V.), postete am 26.09.2017 auf Facebook:
"Es ist Zeit!
So schlecht war dieser Wahlslogan gar nicht. Mit einer
anderen Strategie, klareren Inhalten und einer anderen Kultur hätte die SPD
vielleicht sogar gewinnen können.
Umso wichtiger ist es jetzt, klar zu sagen, wofür keine Zeit
ist und wofür auf der anderen Seite mehr Zeit aufgewendet werden muss. Sonst
bleibt alles so, wie es nicht ist.
(...)
Es ist Zeit, endlich die Fakten zu erkennen – nicht sie
wegzufabulieren. Die SPD hat seit 1998 die Hälfte ihrer Wähler*innen und
Mitglieder verloren. Das gehört zusammen gedacht und hat auch etwas miteinander
zu tun. Denn es sind nicht die Menschen, die die grandiose Strategie nicht
verstanden haben. Im Gegenteil: Sie haben verstanden. Deshalb sind sie gegangen
und wählen uns nicht mehr.
Es ist daher höchste Zeit für eine kritische, offene, klare
Aufarbeitung. Das gilt für die Agenda 2010, vor allem für die fortwährenden
Sanktionen bei Hartz IV, und die Rentenfrage. Das gilt für die
Austeritätspolitik der Troika, die Südeuropa an den Abgrund gebracht hat und Millionen
Menschen in Armut stürzte.
Es ist Zeit, einfache Mathematik wieder zu begreifen: Eins
minus eins ergibt null! Zwei Arbeiterparteien, die gegeneinander und nicht
miteinander kämpfen, werden nichts bewegen und nicht gewinnen können. Die eine
Partei, die LINKE, verliert (unter anderem stark im Osten an die AfD), weil sie
zwar vermeintlich recht hat, aber in der Opposition nichts ändern kann/wird.
(...)
Es ist Zeit, endlich zu realisieren, dass die »Volkspartei
SPD« auf dem Spiel steht. Wenn sie als linke Volkspartei überleben will, muss
sie erkennen, dass es mehr braucht als gute Worte an »die hart arbeitenden
Menschen«.
Es ist Zeit, der AfD klar zu sagen: 87 Prozent haben euch
nicht gewählt. Deshalb werdet ihr auch kein Land zurückholen. Denn es gehört
den Menschen und keiner Partei. Diese Wähler*innen haben Toleranz, Offenheit,
kulturelle Vielfalt, auch wenn sie verschieden sind, gewählt: links, mittig,
ganz mittig, grün-konservativ oder sogar die CSU.
Es ist Zeit, für einen großen sozialen, ökologischen und
kulturellen Umbau, für Ideen, die diese Transformation voranbringen. Es ist
Zeit für einen Aufbruch der gesellschaftlichen Linken und der dafür zur
Verfügung stehenden Parteien.
Es ist für die deutsche Sozialdemokratie die Zeit der
Entscheidung.
Nach rechts geht es zu den pulverisierten Schwesterparteien
in den Niederlanden, Frankreich, Griechenland.
Nach links zur Labour Party und Corbyn, nach den USA zu
Sanders, zu Kooperationen mit Syriza, Podemos und den vielen, die trotz allem
noch Hoffnung auf Veränderung haben und uns dringend brauchen.
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