Donnerstag, 26. April 2018

Notizen aus der Provinzhauptstadt: Über den Wolken herrscht trotzig der Größenwahn

Ja, auch der Amtsschimmel kommt zuweilen ins Träumen... Von was träumt er dann? Von einem immer noch größeren Hafersack natürlich. So mag auch Dortmunds Verwaltungsspitze sich die Zukunft der Stadt nicht anders wünschen, als dass diese immer weiter wächst. Dies erklärt sie zum zentralen Ziel eines "Zukunftsprogramms Dortmund eine wachsende Stadt“ für 2030, das der Stadtrat 2016 auf den Weg brachte – übrigens auf Vorschlag der SPD-Fraktion im Rat.

Dass die Wirtschaft nicht unendlich weiter wachsen kann, ohne alle Lebensgrundlagen zu zerstören, spricht sich ja allmählich herum. Doch unsere Stadtspitzen ficht das nicht an, sie wählen eine noch dümmere Variante des kapitalistischen Wachstumswahns als das Bruttoinlandsprodukt, nämlich die Einwohnerzahl. Die ganze Verwaltung wollen sie darauf programmieren, alles zu tun, um noch mehr Menschen in die Stadt zu ziehen.

Woher sollen die Zuwächse kommen? Vom Himmel fallen sie nicht, auch weiterhin werden die Geburten hinter den Sterbezahlen zurückbleiben. Zuwanderung muss vom flachen Umland, aus anderen Städten und anderen Ländern kommen. Also: "Wettbewerb"! Kampf um jeden Einwohner, jede Arbeitskraft, jeden Investor!

Dass so ein Programmziel rein von oben, von der Elite und deren Verwaltungsapparat ausgedacht ist, liegt auf der Hand und ist Absicht: Ein "normatives Zukunftsszenario, auf das sich die gesamte Stadtverwaltung mit ihren Angeboten, Leistungen usw. ausrichtet", solle "die aus Sicht der Verwaltung anzustrebende Situation Dortmunds im Jahr 2030" beschreiben.

Aus der Perspektive der Bevölkerung selbst steht dies Programm auf dem Kopf: Den in Dortmund Lebenden kann es kaum darum gehen, dass noch mehr Menschen herziehen, sondern dass sie in Zukunft besser hier leben können als heute. Zwar spielt das Szenario in zwei Extremvarianten durch, wie bestimmte "Schlüsselfaktoren" (Arbeitsplatzangebot, Bildungsangebot, Image, Mobilität, Urbanität, Wohnraumangebot) sich positiv oder negativ auf die Bevölkerungsentwicklung auswirken können - jedoch ob das Größenwachstum unserer Städte etwa sogar im umgekehrten Verhältnis zur Lebensqualität steht (z.B. durch heute schon tödliche Schadstoffbelastungen), diese Frage kommt den Wachstumsfanatikern gar nicht in den Sinn.

Absolut peinlich wird es, wenn im „Wachstumsszenario Dortmund 2030“ - in nur zwölf Jahren! - alles das Wirklichkeit werden soll, was in den letzten zwölf Jahren daneben ging. Da wird munter drauf los fabuliert: "Dortmund ist ebenso vielseitig, nachhaltig und generationenfreundlich, wie auch integrativ, dynamisch und kreativ... Alle Bevölkerungsgruppen schätzen die Vielfalt und die Lebensqualität Dortmunds… Der Internationalisierungsprozess hat sich in seiner Dynamik etwas abgeschwächt… Kurze, barrierefreie Wege fördern die umweltfreundliche Teilhabe am Verkehr. In Dortmund bewegt man sich sicher und umweltfreundlich zu Fuß und mit dem Rad. Gleichzeitig ist die Stadt Vorreiter in Sachen Elektromobilität… Die Wiedereingliederung von Langzeitarbeitslosen in den Arbeitsmarkt hat sich Dank der gewachsenen Logistikbranche in Dortmund eingestellt. Die Stadt Dortmund selbst hat mit dem Projekt „Servicecenter Lokale Arbeit“ die Arbeitslosenquote auf das Niveau des Landesdurchschnitts gebracht… Mehr Personen finden hier ihre gewünschte Wohnung oder das präferierte Eigenheim: Wohnraum sowohl für Jung und Alt, für Personen mit und ohne Migrationshintergrund als auch für einkommensstärkere und -schwächere Haushalte…“ usw. Hier erweist sich das ganze "Szenario" nur noch als rosa Tünche auf der grauen Realität.

Da ist es auch nur konsequent, dass dies "Szenario" alle fundamentalen Probleme, Widersprüche und Krisen, die den kapitalistisch verfassten (Stadt-) Gesellschaften heute schon vor der Tür stehen, großzügig beiseite wischt: "Die notwendigen Voraussetzungen für Wachstum sind gegeben...Diese Unwägbarkeiten sollen das im Zukunftsszenario beschriebene Bild, wonach Dortmund seine Position im Wettbewerb behaupten und ausbauen kann, nicht in Frage stellen."

Ein Zukunftsprogramm für unsere Stadt, das seinen Namen verdient, muss genau umgekehrt vorgehen:
Als erster Schritt wäre mit der Stadtbevölkerung gemeinsam festzulegen, welchem obersten Ziel eine am Gemeinwohl orientierte Stadtentwicklung folgen soll, und wie sie auf die anstehenden Probleme reagieren will. Im zweiten Schritt wäre dies Oberziel in die verschiedenen Kategorien der Lebensqualität aufzuschlüsseln. Sodann wären drittens die Dimensionen zu bestimmen, in denen diese Teilziele bis 2030 erreicht werden sollen. Viertens wären die Mittel und Methoden auszuwählen und zu bemessen, mit denen die Stadtgesellschaft - als ganze, nicht nur die Bürokratie! - die Lebensqualität Schritt für Schritt verbessern will.

Seit Jahrzehnten gibt es weltweite Bewegungen für "Gemeinwohl"- oder "Gemeinwesenökonomie", solidarische Stadtentwicklung, "Stadt für Alle", "Recht auf Stadt“, Commons- oder Allmendebewegung, Shareconomy usw. LINKE & Piraten sollten der Stadtpolitik auf die Sprünge helfen, ihr Zukunftsprogramm auf solchen alternativen Entwicklungskonzepten aufzubauen, anstatt weiter auf die nicht zukunftsfähige Ideologie der Wachstums- und Standortkonkurrenz zu setzen.

Sonntag, 15. April 2018

Neuer Bericht des Club of Rome: Gemeinwohl-Ökonomie zentrale Säule zur Zukunftsfähigkeit

Im Oktober 2017 ist anlässlich seines 50. Geburtstages erstmals ein Bericht des Club of Rome selbst veröffentlicht worden. Die berühmten Vorgänger – vor allem der erste, 1972 veröffentlichte Bericht „Die Grenzen des Wachstums“ – waren allesamt Berichte AN den Club of Rome. Mit „Wir sind dran. Club of Rome: Der große Bericht. Was wir ändern müssen, wenn wir bleiben wollen. Eine neue Aufklärung für eine volle Welt“ legt der Club of Rome nicht nur eine umfassende Analyse zur Lage der Menschheit vor, sondern spricht auch Empfehlungen und Einladungen aus, welche Schritte in den nächsten Jahren zu gehen sind, wenn wir die Zukunftsfähigkeit unseres Planeten erhalten worden.

Als eine der festen Säulen zur Neuausrichtung von Gesellschaft und Wirtschaft sieht der Club of Rome dabei die Gemeinwohl-Ökonomie und würdigt sie ausführlich, zum einen im dritten Teil „Eine spannende Reise zur Nachhaltigkeit“ des knapp 400-seitigen Berichts, zum anderen im Fazit, einer „Einladung an die Leser*innen“.

Im dritten Teil wird die Gemeinwohl-Ökonomie als eines der hervorzuhebenden Beispiele zur Reform unseres Wirtschaftssystems skizziert. Im Fazit werden sowohl die Konsument*innen als auch Unternehmer*innen und Politiker*innen eingeladen, die Gemeinwohl-Ökonomie als Orientierungsrahmen für neue Handlungsspielräume zu sehen. So heißt es wörtlich:
„Wir laden die Wirtschaft ein, sich mit den politischen Entscheidungsträgern in Verbindung zu setzen, um den Rahmen für die Rentabilität zu ändern, so dass die Beiträge zum Gemeinwohl finanziell belohnt und nicht bestraft werden. Wir empfehlen Belohnungen und Auszeichnungen für beispielhaftes Verhalten.
Wir laden die politischen Entscheidungsträger ein, eine neue Steuerphilosophie einzuführen, welche die Beschäftigung von Arbeitskräften entlastet und den Verbrauch natürlicher Ressourcen belastet (unter Beachtung, dass jeder einen erschwinglichen Zugang zu den notwendigen Ressourcen behält)."

stephanie ristig-bresser im GWÖ-Blog: